Manhattan
beginnt, wenn er beginnt, und keinen Augenblick vorher. Das ist es, was mit diesem Land nicht stimmt: Jeder will schon einen Tag vor Beginn des verdammten Urlaubs mit der Arbeit aufhören und sich auch danach noch den ganzen Tag ausruhen. Schon sehr bald werden wir überhaupt nicht mehr arbeiten, sondern nur noch Urlaub machen. Folglich vervollständigte Walter seinen täglichen Ausgabenbericht und seinen Tätigkeitsbericht, bevor er in den Eingangskorb blickte. Natürlich hatten die Fledermäuse ihm frischen Guano in Form von fünf neuen Akten auf den Tisch gekleckert, doch es hatte keinen Zweck, sie am Silvesternachmittag in Angriff zu nehmen. Sein Ausgangskorb war leer, so dass der Howard-Bericht ins System eingegeben worden war, und das System würde seinen gewohnten Gang gehen, und Michael Howard würde seine Beförderung bekommen.
Und ich habe meine Firma und meinen Kunden betrogen, dachte Walter. Und ein rundes Dutzend Vorschriften umgangen.
Aber wenn halt die Vorschriften falsch sind, dachte er, sind wir vielleicht verpflichtet, sie zu umgehen. Doch in meinem angegriffenen Zustand ist das eine viel zu komplizierte Frage. Es genügt, wenn ich sage: »Fröhliches neues Jahr, Michael Howard«, und es dabei bewenden lasse.
Er wurde von weiteren Überlegungen befreit, als die Gegensprechanlage summte und er in Forbes' Büro befohlen wurde.
Forbes jr. musterte Walter mit einem Blick und fragte: »Was ist denn mit Ihnen passiert?!«
»Es ist mir sehr peinlich, aber ich bin in der U-Bahn überfallen worden.«
»Nein!«
Walter zuckte verschämt die Schultern.
»Sind Sie vollkommen in Ordnung?«
»Mein Stolz ist stärker verletzt als alles andere.«
»Nettes Veilchen haben Sie da.«
»Dann sollten Sie mal den anderen Kerl sehen.«
Forbes mühte sich eine Minute lang erfolglos mit seiner Pfeife ab, gab auf und sagte: »Ich habe heute Morgen von einem Sergeant Zaif bei der New Yorker Polizei einen Anruf bekommen.«
»Oh?«
»Er wollte mir nur sagen, dass Marta Marlunds Tod offiziell zum Selbstmord erklärt worden sei«, sagte Forbes. »Und er hat mir versichert, dass Sie vollständig aus der Sache raus sind.«
»Es war nett von ihm, sich die Zeit zu nehmen.«
»Ja«, stimmte Forbes zu. Dann fragte er: »Ist der Howard-Bericht fertig?«
»Gestern rausgegangen.«
»Und?«
»Oh«, erwiderte Walter. »Gesundheit bestens. Überhaupt kein Sicherheitsrisiko.«
Forbes runzelte die Stirn. »Sie haben sich ziemlich lange Zeit für ein ›Kein Risiko‹ gelassen, meinen Sie nicht auch, Withers?«
Walter tat, als überlegte er sich die Antwort einen Moment, bevor er sagte: »Nun, er ist mir wohl ein wenig aus dem Blick geraten.«
»Ich wusste gar nicht, dass Sie schlechte Augen haben«, erwiderte Forbes.
Walter staunte, als er diesen blöden alten Scherz hörte. Er stellte Forbes jr. ersten Versuch in Sachen Humor dar, seit Walter in der Firma war. Er lachte vor echtem Entzücken, und Forbes fiel mit hilfloser Freude darüber ein, dass seine Anstrengung von Erfolg gekrönt war.
»Im Bericht habe ich es allerdings nicht erwähnt«, fügte Walter hinzu.
»Nein, verstehe«, erwiderte Forbes. Dann wurde er mit Mühe wieder ernst und sagte: »Ich habe gerade ein Buch von diesem Engländer Parkinson gelesen. Haben Sie schon davon gehört?«
»Ich fürchte nein.«
»Parkinson hat die Theorie entwickelt, dass jede Arbeit dazu neigt, die dafür vorgesehene Zeit zu überschreiten. Wir wollen hier nicht Parkinsons Gesetz bestätigen, sind wir uns darüber einig, Withers?«
»Ich verstehe, was Sie meinen, Mr. Forbes.«
Walter wollte gerade gehen, als Forbes sagte: »Oh! Joe und Madeleine haben angerufen. Sie sind heute Abend auf einer kleinen Fete im Waldorf und würden sich freuen, wenn Sie kurz mal hereinschauen könnten.«
»Auf gesellschaftlicher Basis …«
»Strikt gesellschaftlich«, sagte Forbes. Er senkte die Stimme und fügte hinzu: »Joe hat sich in dieser Marlund-Sache rechtzeitig geduckt, als die Kugel angeflogen kam, nicht wahr?«
»Er ging durch den Regen, ohne nass zu werden«, gab Walter zu. »Glückliches neues Jahr, Chef.«
»Glückliches neues Jahr, Withers.«
Walter blieb bis zum Ende der Bürozeit an seinem Schreibtisch, wünschte den Sekretärinnen ein glückliches neues Jahr und fuhr dann hinunter, um mit Mallon und den Mallonettes einen Drink zu nehmen. Als er sich schließlich ins Waldorf
aufmachte, stieß er draußen auf der Straße mit Sam Zaif zusammen. Der Detective hielt ihn an
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