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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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an den Schreibtisch, nahm den Bericht über Michael Howard aus dem Ausgangskorb und zerriss ihn. Dann schrieb er sorgfältig das Aktenzeichen auf ein frisches Formular und tippte:
    Der Unterzeichnende hat die fragliche Person über einen längeren Zeitraum hinweg beobachtet, darunter auch vom 24.12. bis zum 29.12.1958. Weder eine Hintergrund-Überprüfung noch persönliche Beobachtungen haben irgendwelche negativen oder verdächtigen Informationen ergeben. Ich empfehle die Sicherheitseinstufung als »kein erkennbares Risiko« (ich verweise auf Memorandum 328-F vom 19.3.55, etc.). Sollten wir Ihnen in dieser Angelegenheit weiterhin dienlich sein können, zögern Sie bitte nicht, mit unserem Büro Verbindung aufzunehmen.
    Weil Gott, dachte er, von mir am Ende des Tages erwartet, es mit dem menschlichem Anstand zumindest versucht zu haben.
    Er legte den neuen Bericht in den Ausgangskorb, rauchte noch eine Zigarette und rief unten in der Halle an, um ein Taxi zu bestellen.
    Als er zu Hause war, legte er Miles Davis' Sketches of Spain auf, ließ die Badewanne voll laufen und goss sich einen Drink
ein. Die Wanne war nur wenig voller als das Glas. Dann ließ er sich in das heiße Wasser sinken. Als er mit dem Baden fertig war, nahm er drei Aspirin und fiel sowohl ins Bett als auch in Schlaf.
    Sein Schlaf war in dieser Nacht traumlos, und er wachte erst kurz vor ein Uhr am folgenden Nachmittag auf.

EPILOG:
ISLE OF JOY
    Silvester, 31. Dezember 1958
    »Einen schönen Nachmittag, Mr. Withers«, sagte Mallon. Er reichte Walter einen Kaffee, zwei Aspirin und einen Kopenhagener und erklärte: »Das Büro hat hier unten angerufen und gesagt, Sie würden sich verspäten.«
    »Was für ein wundervolles Büro«, erwiderte Walter. »Und auch Ihnen einen schönen Nachmittag.«
    »Sie sehen aus, als hätten Sie Finnegans Totenwache gehalten, Sir.«
    »Ich fühle mich eher wie Finnegan.«
    »Nun, wenn Sie sich erinnern, stand er von den Toten auf«, bemerkte Mallon.
    »Ah, ja, richtig.«
    Mallon beugte sich vor und flüsterte: »Die Jungs und ich werden im Lauf des Tages ein paar gute Sachen zu uns nehmen, um 1958 gebührend zu verabschieden. Kommen Sie doch runter und trinken Sie einen Schluck mit uns, wenn Sie Zeit haben.«
    »Das werde ich bestimmt tun, Mallon«, erwiderte Walter. »Danke.«
    Mallon zwinkerte.
    »Große Pläne für heute Abend?«, fragte er.
    »Nichts Besonderes. Und Sie?«
    »Stiller Abend. Werde mir im Fernsehen den Ball Drop ansehen.«
    Als Walter im sechzehnten Stock ankam, war bei Forbes and Forbes alles still. Im Büro ging es etwa so lebhaft zu wie in allen Büros am Spätnachmittag des Silvestertags. Die meisten Detektive hatten sich zu irgendwelchen Aufträgen abgemeldet, und die Sekretärinnen saßen missgelaunt an ihren Schreibtischen, polierten sich die Fingernägel und taten ihr Bestes, so wenig es auch sein mochte, um sich auf die Festlichkeiten des Abends vorzubereiten.
    Walter goss den Kaffee in seinen Becher um und trank ihn im Stehen, während er aus dem Fenster starrte. Er fühlte sich nicht so schlimm, wie er geglaubt hatte. Er hatte erträgliche Kopfschmerzen, ein blaues Auge, das zwar durchaus sichtbar, aber nicht überzogen war, und ein paar gequetschte Rippen. Sein Fußknöchel machte ihm die größten Sorgen, denn er war immer noch verletzt und konnte jederzeit umknicken, doch alles in allem war sein Zustand der einen bis drei Kugeln in den Kopf vorzuziehen, die er erwartet hatte.
    Es war geradezu besorgniserregend leicht gewesen, zwei Menschen zu töten. Zielen Sie einfach und feuern Sie zweimal, hatten ihm die Ausbilder der Firma beigebracht. Schießen Sie in Zweierserien. Die Hand korrigiert beim zweiten Schuss automatisch. Das hatte er gemacht, und die Hand hatte tatsächlich beim jeweils zweiten Schuss die Haltung korrigiert. Aber trotzdem, auf die Entfernung …
    Er hatte geglaubt, mehr zu empfinden. Mehr als nur quälende Erschöpfung, die sich jetzt bemerkbar machte. Reue? Scham? Gott vergebe mir, Stolz? Nein, nur müde.
    Schließlich trat 16 C ans Fenster und hob seinen Becher. Auch für dich ein glückliches neues Jahr, 16 C. Es wird mir fehlen, dich da drüben zu sehen, nehme ich an. Walter hob
seinen Becher und ließ sich dann auf seinen Schreibtischstuhl sinken. Er zündete sich eine Zigarette an und machte sich an die Arbeit. Er gluckste leise, als er sich an seinen Vater erinnerte, den es irritiert hatte, wenn die Leute zu früh mit dem Urlaub beginnen wollten.
    Der Urlaub

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