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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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er.
    »Auf Wiedersehen, Walter.«
    Er schob sich am Rand von Keneallys Bewundererschar vorbei und fing einen Blick des Senators auf. Keneally lächelte über die Schulter eines kleinwüchsigen, glatzköpfigen Herrn hinweg und nickte in Richtung Tür.
    Einige Minuten später trafen sie sich im Waschraum.
    Ohne sich mit Vorgeplänkel aufzuhalten sagte Keneally: »Ich habe Sie völlig falsch eingeschätzt, nicht wahr?«
    »Ich denke schon.«
    Walter musste sich eingestehen, dass Keneallys Lächeln charmant war. Ein jungenhaftes, unaffektiertes Grinsen, das einem das Gefühl gab, als wäre man ein Spielverderber, weil man sich nicht an dem Spaß beteiligte.
    »Eine Zeitlang hielt ich Sie für einen Erpresser«, fügte Keneally hinzu.
    Walter zuckte die Schultern. »Eine Zeitlang hielt ich Sie für einen Mörder.«
    Keneally streckte eine Hand aus. »Wollen wir sagen, wir sind quitt?«
    »Noch nicht ganz«, sagte Walter und verpasste Keneally eine harte Rechte in den Bauch.
    In den B-Filmen aus Walters Jugend hätte ein solcher Schlag Keneally glatt auf den gefliesten Fußboden geschickt. Doch Joe Keneally war ein schwerer, kräftiger Mann, und so atmete er nur einmal tief durch und richtete sich wieder auf.
    Walter sah, wie ein kämpferisches Glitzern in Keneallys Augen aufblitzte, und glaubte für einen Augenblick, der sichere Verlierer eines ehrlichen Kampfs unter Männern zu werden, doch das Glitzern verschwand schnell, und Keneally fragte: »Wofür war das denn, Walter?«
    »Ich erlaube niemandem, mich herumzuschubsen«, entgegnete Walter. Er kam sich ein wenig albern und altmodisch vor, fügte aber hinzu: »Nicht mal durch Stellvertreter.«
    Keneally nickte. »Die Jungs haben Ihnen ein ganz schönes Veilchen verpasst, nicht wahr?«
    »Es war auch für Marta.«
    »Okay.«
    »Und Madeleine.«
    »Mein Gott, sonst noch was?«
    »Ich denke, das dürfte genügen.«
    »Nun, ich vermute, ich habe es nicht anders verdient«, sagte Keneally. Er trat zum Spiegel und zupfte seine Krawatte zurecht. Er blickte sich prüfend an und sagte: »Sie sollten sich aber wirklich überlegen, ob Sie nicht ins zwanzigste Jahrhundert eintreten wollen, Withers.«
    »Dieses Jahrhundert taugt nicht viel«, sagte Walter, als er zur Tür hinausging. »Aber ich werde darüber nachdenken.«
    Er beschloss, mit dem Nachdenken unten in Peacock Alley anzufangen, der dunklen Klavierbar, die perfekt zu seinem europäischen Geschmack passte. Er bestellte einen Whiskey, setzte sich neben den Steinway und steckte eine Fünfdollarnote ins Glas.
    »Glückliches neues Jahr, Norman«, sagte er zu dem Pianisten.
    »Auch Ihnen ein glückliches neues Jahr, Walter«, erwiderte der Pianist. »Gibt es etwas, was Sie gern hören würden?«
    »Was von Cole Porter.«
    Dann setzte sich Walter und lauschte fast mit Verzückung, als Norman auf Cole Porters eigenem Flügel ein Medley von dessen großen Songs spielte.
    Nur in New York, dachte Walter. Nur in New York.
     
    Städte wechseln das Geschlecht, wenn die Sonne untergeht.
    So dachte Walter jedenfalls, als er auf der 46. Straße Ecke Broadway stand und downtown in Richtung Times Square blickte. Am Tag war die Stadt männlich, ein grauer, hartgesottener, gehetzter Geschäftsmann. Doch nachts war sie eine Dame in schwarzem Samtkleid und einer Halskette aus funkelnden Lichtern. Die Lichter blendeten: Der Anblick beschleunigte unfehlbar seinen Puls, brachte sein Blut in Wallung und ließ in ihm das Gefühl zurück, dass dies der Mittelpunkt der Welt war.
    Also war es sinnvoll, dass sich die Menschenmenge hier versammelte, um das neue Jahr zu begrüßen, um den Ball fallen zu sehen, und fröhlich zu rufen und zu küssen und zu glauben, dass das einzige Jahr, das besser als 1958 sein würde, 1959 war. Und danach 1960.
    Dort unter den funkelnden Globen und flackernden Neonlichtern schien jeder Traum eine kurz bevorstehende Realität zu sein, jeder frische, strahlende Augenblick ein Neubeginn.
    Dies war der Times Square, New York City, lebendig mitten im Winter.
    Es war erst zehn Uhr, und die Straße füllte sich schon jetzt mit Menschen, die auf den großen Augenblick warteten. Es war eine gutgelaunte Menge. Sie hatten sich in Wintermäntel gehüllt und ohne Zweifel mit wärmenden Getränken gestärkt, und jetzt drängten sie sich fröhlich hinter den Polizeiabsperrungen, um die beste Aussicht auf den riesigen Ball zu bekommen, der auf den Countdown wartete.
    Walter bewegte sich glücklich unter ihnen. Er war froh, der

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