Manhattan
aussah, und er hielt einen Football umklammert, als er um seinen Vater herumwatschelte und auf seinen vermeintlichen künftigen Ruhm zumarschierte. Das kleine Mädchen hatte mehrere große Puppen und ein gewaltiges Kunststoffpferd auf einen Schlitten gepackt und versuchte ihn zu ziehen. Eine der Puppen fiel immer wieder herunter.
Mrs. Howard bannte das alles auf 8-mm-Schmalfilm. Michael und den Jungen konnte sie dazu bringen, stehenzubleiben und zu winken, doch das kleine Mädchen konzentrierte sich hartnäckig auf sein neues Spielzeug und wollte nicht hochblicken.
Zu Walters Überraschung war Mrs. Howard eine auffallende Erscheinung, eine wirklich gutaussehende Frau mit dunkelbraunem Haar, vollen Lippen und einem bemerkenswert hübschen Gesicht. Was ist es, fragte sich Walter, was sie ihm nicht geben kann oder will … oder worum er sie nicht bitten kann … was ihn nachmittags zu diesen heimlichen Spritztouren in die 21. Straße East Nummer 322 eilen lässt?
Und sie hat keine Ahnung, dachte Walter. Das wurde ihm klar, als sie zu ihrem Mann hinüberging, sich bei ihm einhängte, den Kopf an seine Schulter legte, und sie ihren Kin
dern beim Spielen zusahen. Sie lächelte und lachte in dem Glauben, ihr Glück sei sicher.
Diese Vorort-Idylle, dachte Walter. Dieser neue amerikanische Traum, weder Stadt noch Land, sondern eine banale Mischung aus beidem. Eine Gesellschaft, die durch das Fernsehen und das Auto und sonst wenig zusammengehalten wird, wenn man von dem desperaten, auch vom Fernsehen genährten Wahn absieht, dass wir alle das gleiche wollen, ein Haus im Grünen.
Oder vielleicht bin ich derjenige, der sich täuscht, dachte er, weil ich mich an meine Phantasie von einem New York klammere, das nicht mehr existiert, das von den immer weiter wuchernden Vororten erstickt wird.
Noch ein paar Jahre, und die Clubs werden tot sein. Die Gäste, die einst in der Stadt lebten und schnell auf einen Drink hereinschauten, auf ein paar Songs und einen lustigen Abend, leben jetzt in den Vororten. Und da man von dort eine lange Anfahrt hat, einen Parkplatz und vielleicht einen Babysitter suchen muss, ist es leichter, einfach den Fernseher einzuschalten und die gleichen Sänger und Sängerinnen anzusehen, die früher in den Clubs spielten und jetzt für Jack Paar oder Steve Allen oder Joe Pine auftreten. Das Cabaret findet jetzt im Wohnzimmer statt – oder wie lautet dieser scheußliche Ausdruck, den Elizabeth und Roger verwenden: das »Familienzimmer«? Und wenn die Clubs aussterben, werde ich vermutlich einer der wenigen Trauergäste bei ihrer Beisetzung sein. Der Rest von Amerika wird in den bombensicheren Kellern der Vororte sitzen und auf der Mattscheibe die anscheinend endlose Parade von Cowboy-Shows ansehen.
Unterdessen versinkt meine magische Insel im Sonnenuntergang.
Hier sitzt also Mrs. Howard, weder Stadtmaus noch Land
maus, und ihr Ehemann ist nachts eine Vorortmaus und tagsüber eine Stadtmaus, und daneben hat er noch eine Stadtmaus, die in einem geheimen Stadtnest versteckt wird.
Und hier sitze ich und beobachte sie.
Frohe Weihnachten, Mrs. Howard, dachte Walter.
Und frohe Weihnachten auch für mich.
Er lehnte sich in den Fahrersitz und wartete, bis sie wieder ins Haus gingen. Als sie es taten, ließ er den Motor an und fuhr in die Stadt.
Es war dunkel, als er in Manhattan ankam.
Er brachte den Wagen in die Garage, ging in seine Wohnung und machte das Geschenk von Forbes and Forbes auf. Er goss nicht gerade knapp von dem zwölfjährigen Scotch auf ein paar Eiswürfel, legte Thelonious Monks Blue Monk auf und setzte sich hin, um sich gehenzulassen und über sich selbst nachzudenken.
Walters Apartment war anzusehen, dass sein Bewohner nicht viel Zeit darin verbrachte. Es hatte ein recht großes Wohnzimmer mit zwei Fenstern zur 36. Straße, ein Sofa mit bequemen Kissen, das seine Mutter gekauft und Walter gleichgültig angenommen hatte, zwei dazu passende Lehnsessel und einen Couchtisch aus Eiche. All diese Möbelstücke standen auf einem Perserteppich mit verblichenen Rot-, Blau- und Goldtönen.
An einer der mattweißen Wände reichte ein Bücherregal vom Boden bis zur Decke. Die Regale hatte Walter umgebaut, um seine neue Hi-Fi-Anlage von Webcor und seine ständig wachsende Sammlung von Jazzplatten unterzubringen. Platten von Prestige, Blue Note, Riverside und Verve – Annes Label. Er hatte sie alphabetisch geordnet – Basie, Blanchard, Blakey, Coltrane, Davis, Ellington – und in
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