Manhattan
Schlaf, die er bekommen hatte.
Er schlüpfte in ein Paar graue Wollhosen und setzte sich aufs Bett, um karierte Socken und braune Schuhe anzuziehen.
Er wählte eine kastanienbraune Strickkrawatte, die zu dem schweren Sportjackett aus Tweed passte. Wieder einmal dankte er dem Schicksal, dass New York immer noch eine Stadt war, in der man sich dem Anlass entsprechend kleidete. Er nahm den silbernen Flachmann, den er seit Yale besaß (Boolah, boolah, schlagt Harvard, und all das), und füllte ihn mit dem Single Malt Scotch, den er für besondere Anlässe aufgehoben hatte. Da er sich versucht sah, einen Schluck zu nehmen, schraubte er schnell den Deckel zu, damit es ihm nicht so erging wie Oscar Wilde – »Ich kann allem widerstehen, nur nicht der Versuchung.«
Nein, dachte Walter. Du hast dich gestern genug zerstreut. Jetzt ist es höchste Zeit, dich wieder an die Kandare zu nehmen und deine Arbeit zu machen.
Properes Aussehen signalisiert, dass man sich in der Gewalt hat, sagte er sich, als er die Krawatte um den Hals legte. Das war einer der eher gequälten Aphorismen seines Vaters, doch die Beobachtung war klug. Kleider machen nicht Leute, hatte sein Vater gesagt, sondern sind ein äußeres Spiegelbild des Menschen. Sie sagen genau das, was sie zu sagen scheinen.
Also kleidete er sich sorgfältig an und rauchte eine Zigarette, während er darauf wartete, dass der Kaffee durch die Maschine lief. Er überflog die Schlagzeilen der Sonntagsausgabe der Times , bis der Kaffee in der Glaskanne zu brodeln begann. Dann trank er ihn und aß dazu zwei Scheiben dick mit Butter bestrichenen Toast.
Nembutol, dachte er. Der Handelsname für das Medikament Pentobarbitol, ein gewöhnliches Barbiturat. Zaif war zwar clever, hatte aber noch nicht herausgefunden, dass etwas fehlte. Es hing alles davon ab, wie gründlich und gewitzt der
Pathologe sein würde, und Dietz würde ihm den richtigen Hinweis geben. Dietz war zwar nicht begeistert gewesen, um drei Uhr morgens angerufen zu werden (»um es mal mit F. Scott Fitzgerald zu sagen, ›es ist in der dunklen Nacht der Seele immer drei Uhr morgens‹«), hatte sich aber nach ein paar fröhlichen Obszönitäten kooperativ gezeigt. Dietz war jederzeit bereit, einem Kumpel zu helfen und den guten Namen von Forbes and Forbes zu verteidigen, selbst wenn es bedeutete, dass er das Leichenschauhaus aufsuchen und ein paar alte Beziehungen wiederbeleben musste. (»Und obwohl Fitzgerald das nicht gesagt hat, solltest du dennoch herausfinden, ob ein Einstich gefunden wurde.«)
Und wenn es einen Einstich gibt, dachte Walter, ist Marta ermordet worden. Wenn ja, von wem?
Im Augenblick wäre es recht nützlich, überlegte er, wenn ich in der Firma die Rolle eines Ermittlers gespielt hätte und nicht die des Zuhälters. Irgendwie erinnere ich mich aber – war es Spillane? – an einen altehrwürdigen Test, bei dem es um Motiv, Mittel und Gelegenheit geht.
Also gut, das Motiv. Wer hatte ein Motiv? Zunächst Joe Keneally, falls er geglaubt hat, dass Marta mit ihrer Affäre an die Öffentlichkeit geht. Er hätte es allerdings nicht selbst gemacht, sondern es durch Jimmy arrangieren lassen. Vielleicht hat also Jimmy Keneally, der Adjutant, der Stabschef, das Mädchen für alles, diese Situation bereinigt. Er hätte sie nicht an Callahan, Brown oder Cahill delegiert. Sie war zu wichtig und erforderte einige Subtilität.
Wer sonst?
Madeleine, natürlich, wo wir gerade von Subtilität sprechen. Vielleicht ein Klischee – die eifersüchtige Gefährtin –, aber möglich.
Dann ist da noch Anne.
Er wählte erneut ihre Nummer, landete wieder beim Auftragsdienst und hinterließ erneut eine Nachricht für sie. Wo zum Teufel konnte sie stecken? Marta war tot, und Anne?
Er zog den Mantel an, setzte den Hut auf und verließ die Wohnung.
Vielleicht würde er beim Keneally-Clan einige Antworten finden.
Als er auf die Straße trat, duckten sich in einer schwarzen Limousine die beiden FBI -Männer. Der Wagen fuhr an und beschattete ihn bis zur U-Bahn-Station, wo einer der beiden heraussprang und ihm die Treppe hinunter folgte.
Der Zug ratterte unter Harlem hindurch. Die dicht an dicht und Ellbogen an Ellbogen stehenden Fans brachten es trotzdem fertig, Flachmänner herumzureichen und kleine, demokratische Schlucke zu nehmen, bevor sie sie weiterreichten, auch an Fremde. Der Geruch von Schnaps, Rasierwasser und von Zigarrenrauch durchtränkten Kleidern erfüllte das bisschen Luft in den
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