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Manhattan

Manhattan

Titel: Manhattan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Aus.
    »Das ist Schicksal!«, brüllte Walter. Doch dann kam die Offensive Line der Giants angerannt, worauf die Menge – es gab kein anderes Wort dafür – toste.
    Summerall trat den zusätzlichen Punkt.
    Colts 14, Giants 10.
    Keneally funkelte Walter wütend an.
    »Solange man noch lebt«, sagte Jimmy zu Walter, »hat man eine Chance.«
    »Dies ist ein Spiel!«, erwiderte Walter.
    Schon lief das letzte Viertel.
    Conerly zog sich zurück und warf Bob Schnelker eine Sechsundvierzig-Yards-Granate zu, hob dann einen Pass zu Gifford hinüber, der diesmal ohne Zweikampf auskam und den Ball nicht verlor, sondern festhielt, und ihn nicht nur festhielt, sondern sich mit dem Abwehrspieler auf dem Rücken bis zur Endzone durchkämpfte.
    Und vergib uns unsere Sünden, dachte Walter.
    Giants 16, Colts 14.
    Die Wende, wie die Menge vor Freude in den Winterhimmel johlte.
    Giants 17, Colts 14.
    Und dann war es einfach nur noch eine Schlacht. Schließlich kämpften sich die Colts bis zur Achtunddreißig-Yards-Linie der Giants vor, wo sie schließlich gestoppt wurden.
    Jetzt werden sie es mit einem Field Goal versuchen, dachte Walter, weil die Regeln eines Meisterschaftsspiels im Fall eines
Unentschieden eine Verlängerung erfordern, und bei nur drei Punkten mehr steht es unentschieden.
    Doch als Keneally zu allen sowohl katholischen als auch buddhistischen Heiligen flehte, geriet das Field Goal zu kurz, und so bekamen die Giants wieder den Ball.
    Und verloren ihn in einem Zweikampf. Ersatz-Halfback King, frische Beine, frische Lunge, kalte Hände, versaute die Ballübergabe an einen anderen Spieler, und damit hatten die Colts den Ball auf der Siebenundzwanziger-Linie der Giants.
    Die Zuschauer ließen ein Stöhnen hören und feuerten ihre Mannschaft dann wieder mit »Aaabwehr! Aaabwehr!« an, als die erschöpften Abwehrspieler der Giants sich die Helme aufsetzten und zurück aufs Spielfeld schlurften.
    Und es imponierte Walter ungeheuer, dass die Abwehr erneut hielt. Bei den Downs übernahmen die Giants jetzt die Führung.
    Jetzt müssen sie keine Punkte mehr machen, dachte Walter. Jetzt brauchen sie den Ball nur noch viereinhalb Minuten zu halten. Dann ein erstes Down, und das Spiel ist zu Ende.
    Doch wie es in einem Spiel wie diesem sein musste, kam es zu einem dritten Down, und das auf der eigenen Neununddreißig-Yards-Linie. Walters Herz raste, und auf den Rängen war es merkwürdig still.
    »Ich kann nicht atmen«, flüsterte Madeleine.
    Der Angriff der Colts wurde gestoppt, und die Zuschauer fassten wieder Mut und feuerten die Giants an, weil sie ein viertes Down sehen wollten, und stöhnten dann wieder auf, als Don Chandler vom Spielfeld schlurfte, nachdem er einen Befreiungsschlag gemacht hatte.
    »Nein!«, schrie Madeleine auf. »Nein!«
    Im Stillen schrie Walter das gleiche. Da haben die Nerven versagt, dachte er. Wie können jetzt die Nerven versagen, wo
es allein darauf ankommt, sie zu behalten. Dieser Befreiungsschlag brachte Baltimore in Ballbesitz auf der eigenen Vierzehn-Yards-Linie, und es waren nur noch eine Minute und sechsundfünfzig Sekunden zu spielen. Walter wusste plötzlich, dass die New Yorker das Spiel praktisch schon aufgegeben hatten, während Baltimore neuen Mut fasste. Er sah deutlich, dass die Abwehr keine Reserven mehr hatte.
    Es gibt nun mal solche Momente, dachte Walter. Es gibt, wie Shakespeares Cassius beobachtet hat, eine Wende im Schicksal der Menschen, wenn sie sich in tiefster Not zur Tat aufraffen, um alles zum Guten zu wenden. Und wenn das wahr ist, gilt auch umgekehrt: Wenn man die Gunst der Stunde nicht nutzt, wendet sich das Blatt zum Schlimmeren, und das Glück ist dahin, und so sah es jetzt für seine geliebten Giants aus, die jetzt nur noch Pech hatten.
    Noch neunzig Sekunden Spielzeit, und der Ball lag auf der Fünfundzwanzig-Yards-Linie.
    Ein wütender Sturmangriff, doch der Ball ging ins Aus. Noch zweiundachtzig Sekunden.
    Die Menge war jetzt still – der Ball befand sich wieder im Bereich der Abwehr, und die Uhr tickte so langsam, wie sich ein Gletscher von der Stelle bewegt. Die Zeit schien einfach stehenzubleiben.
    Ein von der Sturmreihe gefangener Pass, der den Angriff fünfundzwanzig Yards nach vorn brachte. Dann lag der Ball auf der Fünfzig-Yards-Linie.
    Eine erschöpfte Reihe kämpft gegen die andere, die genauso erschöpft ist. Unitas wirft den Ball schnurgerade über sechzehn Yards. Der Ball liegt auf der Vierunddreißig-Yards-Linie der Giants.
    Nächster Angriff.

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