Mann meiner Sehnsucht (German Edition)
von seinen Eltern und vielleicht Geschwistern. Immerhin konnte man ihn mit seiner gebräunten Haut und den schwarzen Haaren durchaus für einen Indianer halten. Der Gedanke, er selbst könnte verheiratet gewesen sein, noch dazu mit einer Indianerin, war ihr noch gar nicht gekommen. Gabriel musste ihre Überraschung gespürt haben, denn er fuhr fort:
“Meine Frau hieß ‘Geht mit den Wolken’, und wir hatten zwei Söhne, ‘Reitet wie der Wind’ und ‘Sichere Hand’. Unser drittes Kind sollte sechs Monate später geboren werden.” Er schwieg einen Augenblick. “Wir hatten gehofft, es würde ein Mädchen sein.”
Nachdenklich starrte Hope auf seinen Rücken. Er hatte eine Frau gehabt und Kinder. Der Verlust musste entsetzlich für ihn gewesen sein, aber es erklärte noch immer nicht, wieso er überhaupt in einem Indianerlager gelebt hatte.
Hope hatte nicht bemerkt, dass sie die Frage wohl vor sich hingemurmelt hatte und erschrak, als Gabriel sein Pferd zügelte und sich zu ihr umwandte.
“Ich habe mein Leben lang bei meinen roten Brüdern gelebt”, sagte er in einem Tonfall, den Hope nicht zu deuten vermochte. “Jedenfalls bis zu jenem Tag.”
“Aber wieso?”
Gabriel musterte sie, aber als er tatsächlich nichts als Neugierde in ihrem Blick las, sagte er: “Weil ich zur Hälfte Indianer bin.”
“Wirklich?” In Hopes Stimme schwang soviel Faszination mit, dass Gabriel sich zwingen musste, nicht zu grinsen.
“Ja, wirklich.”
“Aber wie ist das möglich?! Ich meine, Sie sind ganz normal angezogen, Sie sprechen eine richtige Sprache, und Sie sehen überhaupt nicht aus wie die Indianer, die ich bisher so gesehen habe.” Gabriel betrachtete sie mit einem Lächeln.
“Und wie viele Indianer haben Sie schon gesehen?”
Hope schürzte die Lippen. “Oh, schon eine ganze Menge. Die meisten waren dreckig und haben besoffen unter den Gehwegen gelegen. Oder aber Sie haben um Geld für Whiskey gebettelt.”
Gabriels Lächeln verschwand, als hätte es jemand fortgewischt, und sein Gesicht verfinsterte sich zusehends, als er Hopes Beschreibungen lauschte. Er war wütend, konnte ihr jedoch noch nicht einmal einen Vorwurf machen. Die meisten Weißen, die bislang nur “Stadtindianer” gesehen hatten, hatten das gleiche Bild von ihnen. Zerlumpte, bedauernswerte, immer betrunkene Bettler, die für einen Schluck Whiskey beinahe alles taten, sogar ihre Ehre verkauften.
Beinahe noch schlimmer als die Krankheiten, die er aus Europa eingeschleppt hatte und die die Stämme, die damit in Kontakt kamen, dezimierten, war Alkoholismus der eigentliche Fluch des Weißen Mannes, der auch noch die letzten von ihnen auslöschen würde. Seit die Weißen den Indianern das Feuerwasser gebracht hatten, waren allzu viele diesem Lockruf gefolgt und ihm verfallen. Er hatte die beklagenswerten Gestalten selbst gesehen, die, eine Flasche im Arm, in den Seitenstraßen gelegen hatten, verlacht und verhöhnt, jedoch zu betrunken, um sich etwas daraus zu machen. Wenn man sie sah, war es einfach unvorstellbar, dass sie einst alle stolze Krieger gewesen waren, aufrecht und frei, anstelle von elenden, im Dreck wühlenden Kreaturen.
“Nicht alle Indianer sind so”, knurrte Gabriel und wollte sich abwenden.
“Na, wenn Sie es sagen”, murmelte Hope wenig überzeugt, worauf Gabriel sein Pferd so heftig herumwirbelte, dass Hopes Pony vor Schreck scheute.
“Mein Stamm war nicht so, wie Sie es vielleicht glauben. Sie waren aufrichtige, ehrliche und stolze Menschen, deren Vorväter schon hier gelebt haben, lange bevor es dem Weißen Mann einfiel, die Völker mit Feuerwasser gefügig zu machen.” Seine bernsteinfarbenen Augen schienen zu brennen, und Hope hielt erschrocken den Atem an.
“Ich wollte damit doch nicht andeuten…”
“Doch, genau das wollten Sie. Sie sind wie alle Weißen. Sie sehen nur das, was Sie sehen wollen. Sie sehen die dreckige Rothaut, die von dem Almosen der Weißen lebt. Sie sehen die zerlumpten Bettler, die um die Häuserecken schleichen auf der Suche nach dem nächsten Schluck, der sie das Elend, in das der Weiße Mann sie gestürzt hat, vergessen lässt.” Sein Pferd tänzelte nervös, als es die Aufregung seines Reiters spürte.
“Und wie sehen Sie mich jetzt? Bin ich in Ihren Augen jetzt auch nur noch eine verkommene Rothaut, um die man am besten einen weiten Bogen macht? Ist das der Grund, warum Ihnen der Kuss gestern Abend nicht gefallen hat, und warum Sie sich schon im Vorfeld ausbedungen haben,
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