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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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»Du solltest dich nach einer
— wie soll ich sagen? — nach einer Lebenspartnerin umsehen. Sehr hübsch, sehr
schick, sehr klug, sehr warmherzig. Und jung natürlich. Und Einfälle muß sie
haben. Und Humor. Und mit mir muß sie gut auskommen und erst recht natürlich
mit Jacky. Nicht so eine, bei der Jacky nicht auf die Couch springen darf und
sich die Pfoten auf dem Fußabstreifer säubern muß. Sie muß natürlich auch eine
glückliche Hand mit der Muhr haben. Die Muhr müssen wir auf jeden Fall
behalten, ohne die Muhr können wir ja nicht leben.«
    Sie schmiegte ihr Gesicht an
Ronalds Wangen. »Und ohne dich könnte ich erst recht nicht leben, ich möchte es
eigentlich gar nicht erst versuchen. Es käme bestimmt zu einem Fiasko.«
    Er stand auf und strich sich
übers Haar. »Los, Jacky, in den Garten, Gras mähen, keine falsche Müdigkeit
vortäuschen«, sagte er rauh. »Und du, Goggi? Du legst dich noch ein paar
Stunden hin, nicht wahr.«
    Er war schon die Stufen zum
Garten hinuntergestiegen, als er noch mal kehrtmachte. »Wer war denn der
Schweizer, der dich nach Hause brachte?«
    »Woher weißt du denn, daß es
ein Schweizer war?«
    »Ich habe seine Wagennummer
gesehen.«
    »Wieso warst du denn wach?«
    »Du gestattest wohl, daß ich
mich um dich ängstige. Kurz nach Mitternacht hatte mich Paul angerufen und sich
erkundigt, ob du schon zu Hause wärst. Eine verständliche Frage, nachdem du ihm
und Nico auf und davon gelaufen warst.«
    »Ach?«
    »Und wo hast du den Rest des
Abends verbracht?«
    »Ich weiß es nicht mehr ganz
genau, aber es scheint, daß ich zuerst in einer Bar war und dann in einem
fremden Auto geschlafen habe.«
    »So, hm.« Ronald räusperte
sich. Er stand unschlüssig auf der dritten Stufe der Terrasse und wußte nicht,
wie er diese Unterhaltung zu einem glimpflichen Ende bringen sollte. »Das war
dann wohl der Besitzer des Autos, der dich nach Hause brachte?«
    »Ja. Ein sehr netter Herr aus
Montreux. Gutmütig, hilfsbereit und sehr zurückhaltend.«
    »Er konnte sich aber nicht
zurückhalten, dich zu küssen.«
    »Ach, das hast du auch
gesehen«, sagte sie voll Nachsicht für ihren vorwitzigen Papa. »Dieser Kuß war
ganz unwesentlich, es hat sich nur so ergeben, aus der Situation, verstehst
du.«
    »Ich möchte aber nicht, daß
sich so etwas bei fremden Männern ergibt, auch nicht aus der Situation. >Aus
der Situation< ist keine Entschuldigung, da können sich auch Unfälle mit
tödlichem Ausgang ergeben.«
    Er sprach mit Heftigkeit und
ließ Goggi, die diesen Tonfall bei ihm nicht gewöhnt war, stehen. Sie sah ihn
im Geräteschuppen verschwinden und wenige Minuten später in seiner alten blauen
Leinenhose und seinem verwaschenen Arbeitskittel wieder erscheinen. Er zog den
Grasmäher hinter sich her, und kurz darauf erklang das gleichmäßige, metallene
Schürfen des Mähers.
    Goggi ging in ihr Zimmer und
beschloß, sich noch ein paar Stunden aufs Ohr zu legen. Die Muhr kam die Treppe
herunter. Sie strahlte die Tatkraft eines Menschen aus, der zehn Stunden
geschlafen hat. »Guten Morgen, Fräulein Gutting. Schon auf?«
    Goggi nickte. »Es gibt solche
Tage. Ich lege mich aber noch ein bißchen hin. Ich bekomme immer
Gleichgewichtsstörungen, wenn ich so früh aufstehe.«
    Fräulein Muhr musterte sie mit
Mißbilligung und Mitleid. Sie lebte sehr gesund und hatte vor, neunzig Jahre
alt zu werden. »Sie sollten weniger rauchen und mehr essen.«
    Im Garten stieß Jacky jenes
hysterische Gebell aus, mit dem er verkündete: Igel aufgetrieben. Goggi hörte,
wie ihr Vater Jacky zur Ordnung rief. Jacky konnte es nicht lassen, den
Hausgenossen, der unter dem Geräteschuppen hauste, mordgierig zu verfolgen. Er
wußte, daß es streng untersagt war, den Igel, den se Herr Alois getauft hatte,
zu behelligen, aber sein Jagdtrieb w stärker als seine Disziplin.
    Erst als die Hausglocke
schrillte, änderte Jacky die Tonlage seines Bellens. Es wurde drohender und
noch leidenschaftlicher, denn es handelte sich um einen Mann in Uniform, und
Uniformen konnte er noch weniger riechen als Igel. Er machte da keinen
Unterschied zwischen einem General, einem Straßenbahner oder einem
Parkaufseher. In diesem Fall war es ein Postbote, der Gutting ein Telegramm aus
Übersee brachte.
    Guttings Augen wurden schmal
und abwesend, wie immer; wenn er der Vergangenheit begegnete. Er hielt eine
Nachricht von Jeannette in der Hand. Sein Herz tat ein paar rasche, freudig
erschrockene Schläge, jetzt noch wie vor

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