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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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ein Erlebnis.«
    Die Begeisterung, mit der er
für seine Sache warb, flammte aus seinen braunen Augen und machte aus dem
stillen Berthold Hüsli plötzlich einen leidenschaftlichen Vertreter der
Schönheiten fremder Länder. »Die Leute«, so fuhr er fort, »sollen wieder wie
Pioniere ausziehen. Sie sollen die Länder, durch die sie reisen, entdecken. Sie
sollen sich nicht durch enträtselte Länder hindurch langweilen. Meine Bücher
geben Anregungen, sie weisen gewisse Wege und machen neugierig. Das übrige muß
der Mensch selbst aus sich und seinem Reiseland herausholen. Bisher habe ich je
einen Band über Frankreich, Italien und die skandinavischen Länder
herausgebracht und Bombenauflagen erreicht. Ein Band über die Türkei ist gerade
in Vorbereitung, danach kommen Portugal und Spanien dran und später
Griechenland.«
    Nico wurde hellhörig. »Sind
Ihre Bände mit Fotos illustriert?« Berthold Hüsli zwinkerte geheimnisvoll mit
den Augen. »Das ist ja eben mein großer Gag: einerseits wollen die Leute
fertige Bilder sehen, andererseits sind sie fast alle darauf versessen, selbst
zu knipsen. Aber Sie wissen ja, wie das mit dem Knipsen ist. Es reicht meist
nicht für wirklich gute Aufnahmen. In meinen Bänden findet der Laie schöne
Fotos aller Sehenswürdigkeiten; um sie als Mittelpunkt kann er dann seine
eigenen Aufnahmen ordnen.«
    »Sie bringen also von der
Bretagne zum Beispiel nur ein einziges Bild, etwa vom Mont Saint Michel oder
von St. Malo, nicht aber die reizvollen Wäscherinnen von Concarneau oder ein
bretonisches Bauernhaus.«
    »Richtig. Ich bringe nur
Anregungen und das eine oder andere Musterfoto.«
    Berthold Hüsli war selig, in
Nico einen verständnisvollen Gesprächspartner gefunden zu haben. »Ich schicke
meine Touristen auf Entdeckungsreisen und lege ihnen nahe, sich einmal die
Netzflicker oder eine Spitzenverkäuferin von Douarnez anzusehen, nach dem
amerikanischen Motto: >Do it yourself<. Auch im Textteil lasse ich für
eigene Erlebnisberichte oder Tagebucheintragungen Platz.«
    Die beiden Männer vertieften
sich so in ihr Gespräch, daß sie die jungen Mädchen, die Musik und fast sogar
den Wein, den sie vor sich stehen hatten, vergaßen. Francesca und Goggi waren
sich einig, daß Männer Berufsnarren seien. Alle!
    Um zwei Uhr fuhren sie in
Hüslis riesigem Straßenkreuzer nach Hause. Francesca setzte sich neben das
Steuer, dorthin, wo Goggi gestern gesessen hatte. In ihrem dunklen Haar
funkelte die Spange aus künstlichen Steinen, mit der sie ihren Knoten
zusammenhielt. Wenn sie es geschickt anstellt, kann sie den ganzen Klimbim
anstatt aus Glas aus echten Steinen haben, überlegte Goggi.
    Nico hatte den Arm um sie
gelegt. Er zog sie zu sich heran. »Vielleicht kann ich mal für Hüsli arbeiten.
Dann heiraten wir«, raunte er ihr zu.
    Goggi nahm die Schultern zurück
und saß sehr steif. »Mal! Was heißt denn mal? Du hast Nerven! Ich will sechs
Kinder in Abständen von je zwei Jahren und mit fünfunddreißig diese Strapaze
hinter mir haben.«
    Er strahlte. Er würde eine
große, laute und ständig durcheinanderredende Familie mit ihr gründen. Es
sollte genauso sein wie bei Papa und Mama daheim. Goggi würde am Tisch stehen
und für die ganze Orlanobande die Spaghetti und die Ohrfeigen und die Küsse
austeilen. Und einmal im Jahr würde man sie alle zusammen in ein großes Auto packen
und rund um Udine, wo es von Orlanos wimmelte, die ganze Verwandtschaft
abklappern. Herrlich! Grandios!
     
     
     

6
     
    Der Tankwart fragte: »Soll ich
auch den Reservekanister nachsehen?« Er bediente Ronald Gutting seit vielen
Jahren und gehörte zu den wenigen Menschen, die mit Jackys Einwilligung das
Auto berühren durften.
    »Ja, sehen Sie mal nach,
Rudolf. Ich gehe auf eine größere Fahrt.«
    Der kleine behende Mann mit der
windschiefen Nase, die er sich einmal beim Motorradfahren gebrochen hatte, nahm
den grünen Kanister aus dem Gepäckraum und schüttelte ihn. »Ist voll«, sagte
er. »Wohin geht’s denn heute?« Er konnte sich diese Frage gestatten.
    Gutting machte eine vage
Handbewegung. »Ins Blaue. Auf Hochzeitsreise.« Jacky neben ihm blickte durch
die Windschutzscheibe, die der Tankwart eben zu putzen begonnen hatte. Einen
Augenblick blieb der Schwamm bewegungslos auf der Glasscheibe liegen.
»Hochzeitsreise?« Es klang wie ein Vorwurf, und Ronald mußte lächeln.
    »Ja. Meine Tochter hat
geheiratet, und ihr Mann hat in meinem Haus seinen Einzug gehalten. Einer von
uns muß ja

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