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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Sonne scheinen? Regen kam seiner Stimmung entgegen. Die Bestellung,
die er dem Ober aufgab, schloß eine Wurst für Jacky ein. Jacky und er würden
sich jetzt noch enger zusammenschließen müssen.
    Er saß in einem bequemen
Sessel, trank mit Genuß den ersten Schluck Kaffee und wagte, über den gestrigen
Tag nachzudenken. Ein Freudentag, ein großer Tag. Alle waren hochbefriedigt
gewesen. Die Orlanos waren in ihrer eindrucksvollen Vielzahl erschienen, die
ganze Familie dunkelhaarig, sehr lebendig, sehr beweglich und sehr warmherzig.
Lucia Orlano hatte in ihr Sektglas gleichzeitig gelacht und geweint, und ihr
zwei Zentner schwerer Gatte hatte sich an seine Männerbrust geschlagen und die
Story seiner ersten Fruchttransporte erzählt. Je mehr er getrunken hatte, desto
länger war der historische Güterwagen geworden.
    Gleichzeitig mit der Hochzeit
war Francescas Verlobung mit Berthold Hüsli gefeiert worden. Mama Orlano
schwamm in Seligkeit und Abschiedsweh, weil sie zwei von ihren fünf Kindern
scheiden sah. Aber die Familie schrumpfte ja nicht zusammen, im Gegenteil. In
Gedanken taufte sie bereits ihre Enkelkinder, eines nach dem anderen.
    Berthold Hüsli, stolz auf seine
schöne Braut, war nach seinem vierten Glas aus seiner Reserve herausgetreten,
hatte seinen zukünftigen Schwiegervater auf die Schulter geschlagen und die
Schweizer, die Italiener und die Deutschen als ein einzig Volk von Brüdern gefeiert.
    Zwischen all den lauten und
heiteren Menschen hatte Paul Uckermann, im neu angefertigten Frack, sich mit
dem befriedigten und würdevollen Lächeln eines Zirkusdirektors hin und her
bewegt, dessen Galavorstellung vorzüglich klappt.
    »Wie haben wir das gemacht?«
hatte er Ronald stolz gefragt. Ronald, der sich von der lärmenden Gesellschaft
abgesondert und einen stillen Winkel seines Gartens aufgesucht hatte, war einer
direkten Antwort ausgewichen. »Wir?«
    »Na freilich, wer sonst? Wenn du
nicht deine Tochter, deinen Segen und dein Haus und ich nicht einen Batzen Geld
als sogenannten Eheaufbau gegeben hätte, wäre doch der ganze Zauber nicht
zustande gekommen.«
    »Jawohl, Zauber.«
    »Sei nicht so sarkastisch. Der
Junge gefällt mir. Du hast mit ihm einen sehr netten und repräsentativen Sohn
ins Haus bekommen.«
    »Na gut. Das ist wohl der
Schlußpunkt.«
    »Schlußpunkt wovon?«
    Goggis Lachen, sehr hell und
ein wenig vibrierend vor Erregung, war zu ihm in diesen dunklen Winkel des
Gartens herübergedrungen, und er hatte sich gewünscht, daß alles nur ein Spuk
wäre und er hier in seiner alten Leinenhose stünde und seine Fliederbüsche
stutze.
    »Weißt du, was mit dir los ist,
alter Freund«, sagte Uckermann. »Du bist eifersüchtig, du gönnst Goggi deinem
Schwiegersohn nicht.«
    »Ja. Aber warum plagst du mich
mit dieser Wahrheit?«
    »Weil das Schlimme halb so
schlimm ist, wenn man es richtig erkennt. Man tut etwas riesig Nobles und
bekommt hinterher einen blödsinnigen Katzenjammer. Ich kenne das. Setze dich
morgen in deinen Wagen und suche dir eine neue Episode, einen Zwischenfall in
Blond oder Braun, oder was dir eben gerade über den Weg läuft, stürze dich in
ein Abenteuer, lasse ein paar Haare und komme vergnügt zurück.« Damit hatte
Uckermann seinen Arm ergriffen und ihn zu der Hochzeitsgesellschaft
zurückgeschleppt. »Ein Hoch auf Goggis Prachtpapa!« hatte er gerufen. Alle
hatten ihr Glas erhoben und Ronald zugetrunken. Er war sich wie der verwundete
Held einer großen Schlacht vorgekommen und hatte eine Art von verzweifeltem
Glück dabei empfunden.
    So war es also gewesen. Es
brannte überall ein wenig, so, als ob man in Brennesseln gefallen wäre. Und nun
saß er hier, kam von München nicht weg und blickte durch die Fensterscheiben in
den Garten des Hotels mit den triefenden Bäumen, den zusammengeklappten Stühlen
und den stocksteifen Gladiolen. Die Stimmen zweier alter, ganz in lila
gekleideter Engländerinnen drangen zu ihm. Sie saßen am Nebentisch und unterhielten
sich über ihre Königin, die sie sehr liebten.
    Sobald Gutting das Ei, das der
Ober mit dem Frühstückstablett gebracht hatte, köpfte, saß Jacky auf den
Hinterbeinen und sprach wegen seines Anteils vor: das Köpfchen für mich, du
weißt doch. Ronald reichte es ihm zerstreut. Eine total verrückte Idee war ihm
plötzlich gekommen. Er hatte seine erste Tasse Kaffee noch nicht ausgetrunken,
als er aufsprang und in die Empfangshalle schlenderte. Der Portier radierte in
seinem großen Gästebuch und wischte die

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