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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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seiner
inneren Ruhe zuträglich war. Ausgerechnet jetzt, wo er sein Herz in Pension
schicken wollte.
    »Na, so was!« sagte er, als er
an den Tisch herantrat. »Ist das ein Zufall, oder wird mir nachspioniert?«
    Nico erwiderte irgend etwas,
und Goggi schwieg mit einem lauernden, wißbegierigen Lächeln auf den Lippen.
    Jeannette ließ ihre braunen
Augen auf Ronald ruhen. »Du bist wohl nicht für shake hands?« sagte sie mit ein
wenig Spott in der Stimme, hinter dem sich Unsicherheit verbarg. »Wo ist deine
Wiedersehensfreude nach so viel Jahren, Roni?«
    Roni! Der alte Name, der alte,
liebe Klang! War es seinem Gedächtnis denn entschwunden, daß sie ihn Roni
genannt hatte? Mein Gott, wie das törichte Herz hämmerte. Das waren die
Erinnerungen.
    »Wiedersehensfreude? Das ist
ein dummes Wort, viel zu billig, viel zu klein. Ich kann es einfach nicht
fassen«, murmelte er. Goggi und Nico und die Hotelgäste waren ihm plötzlich
ganz gleichgültig. Er beugte sich rasch zu Jeannette hinunter und küßte sie auf
den Mund. Ein langer Kuß.
    Goggi und Nico blickten auf
ihre Teller und wandten sich dann gleichzeitig Jacky zu, um ihn zu begrüßen.
    Jeannette ließ ein glückliches
Lachen vernehmen, so leise, als sei es nur für sie selbst bestimmt. »Ich
dachte, du seist verreist, Roni.«
    »Ja, ja — das bin ich auch, das
heißt, ich hatte es vor. Es hat sich nur verschoben um einen Tag.«
    Goggi blickte ihn aufmerksam
an. Eine Falte stand über ihrer Nasenwurzel. Sie sah nicht ärgerlich aus, nur
sehr konzentriert. »Warum reißt du von zu Hause aus und bleibst dann inkognito
in München, Papa? Ist dir der Aufenthalt zu Hause so vermiest, seit ich
verheiratet bin?«
    Ronald wollte Zeit gewinnen.
»Darf ich mir einen Stuhl holen und mich zu euch setzen, bevor du mich einem
Kreuzverhör unterziehst?«
    Sollte er sich eine Ausflucht
zurechtlegen? Warum eigentlich? Wem war er über sein Tun und Lassen
Rechenschaft schuldig? Im übrigen war es viel mühsamer, Ausflüchte zu ersinnen
und sie glaubhaft zu machen, als bei der Wahrheit zu bleiben. »Komisch ist, daß
ich heute früh noch nicht wußte, daß ich hier landen würde«, meinte er
gelassen, während er einen vierten Stuhl an den Tisch zog. »Jacky und ich waren
willens, uns unverzüglich auf die Autobahn zu begeben. Wir wollten nur erst ein
ordentliches Frühstück zu uns nehmen, und dabei blieben wir einfach hier
hängen. Ich habe mir dann ein Zimmer genommen und mich aufs Ohr gelegt, aus
purer Faulheit. Ich habe fünf Stunden geschlafen. Ich wollte erst mal ein oder
zwei Tage richtige Ferien machen, bevor ich in den sogenannten Urlaub fahre,
Sehenswürdigkeiten schlucke, Schlösser besichtige, Zollkontrollen passiere und
Landkarten studiere.«
    Goggi hatte sich seinen Bericht
schweigend angehört. »Du willst doch wohl nicht behaupten, du hättest dir hier
im Hotel, wo dich jedermann kennt, ein Zimmer gemietet?«
    »Genau.«
    »Die Leute werden sich den Mund
zerreißen, sie werden zu den verstiegensten Mutmaßungen kommen. >Rohe
Tochter vertreibt armen Vater aus eigenem Heim<, wird die Abendzeitung
berichten.«
    Er zuckte die Schultern und
wandte sich Jeannette zu. »Da kannst du mal sehen, wie sehr ein frauenloser
Vater unterm Pantoffel seiner Tochter steht.« Er suchte nach dem winzigen
Leberfleck in Jeannettes Gesicht und fand ihn am alten Platz vor, genau über
dem Schwung der linken Braue. »Du bist schöner als je«, sagte er, »ich darf dir
dieses Kompliment doch in aller Öffentlichkeit machen?«
    Sie stützte den Kopf leicht auf
die Hand. »Ich kann dir das Kompliment zurückgeben, Roni. Auch du siehst
prachtvoll aus. Ein richtiger Mann des Erfolges. Erfolg im Geschäft, Erfolg als
Vater. Ich freue mich für dich.« Sie sprach sehr leise, als sei das, was sie
sagte, nur für Ronald bestimmt.
    Der Ober brachte ein frisches
Gedeck für Gutting. Ronald griff zerstreut nach der Speisekarte. Er nannte
irgendeine Suppe und eine Fleischspeise. »Ich weiß nicht, ob ich so ein
Erfolgsmensch bin. Das wissen die anderen meist besser. Aber aus dir strahlt
wirklich das Glück, Jeannette. Und die Sorglosigkeit.«
    Die Brauen, die wie eine hübsch
geschwungene Feder über ihren Augen lagen, zogen sich zusammen. »Man muß den
Kopf immer über Wasser halten, sonst schluckt man Wasser und geht unter. Und
die Menschen reißen sich nicht darum, einen zu retten.«
    Goggi tauchte ihren Löffel
bedächtig in die Tomatensuppe. »Nachdem wir dich nun auf deinen

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