Mann mit Anhang
Verheiratet
sein war doch der hinreißendste Frauenberuf.
7
Als Nico mittags zum Hotel
>Regina< kam, wartete Goggi schon. Sie stand auf der Straße und trug
ihren schwarzen Kapuzenmantel. Ihr rotes Haar kräuselte sich in der
Feuchtigkeit. »Ich bin mit der Straßenbahn gefahren. Taxi gespart«, empfing sie
ihn.
»Und ich habe wunderbare
Aufnahmen gemacht. Eines von den Frisiermodellen gibt ein großartiges Covergirl
ab, eine kleine Brünette mit hochsitzenden Backenknochen und einem riesigen,
schönen Mund, so diese Art niedlicher Jungbestie, wie sie heute gefragt ist.«
Goggi lachte. »Was bin ich
eigentlich in deinen Augen? Vom rein fotogenen Standpunkt aus?«
»Natürlich auch eine
bezaubernde Bestie, eine rote, eine geradezu klassisch schöne. Wenn ich nicht
zu eifersüchtig wäre, würdest du auf allen Illustrierten der Welt prangen. Aber
ich mag es nicht, daß dich Millionen Leute anglotzen und Soldaten dich in ihrem
Spind aufhängen.«
Goggi nahm seinen Arm und ging
mit ihm ein paar Schritte. »Ich habe eine Sensation«, sagte sie und blieb vor
den parkenden Autos stehen. »Schau dir das da an.«
»Was?« Er folgte der Richtung
ihrer Augen. »Ein blauer Angeberwagen, wie ihn dein Papa fährt.«
»Es ist Papas Wagen, schau dir
doch die Nummer an und Jackys Decke und den übrigen Kram. Ich kenne doch
unseren Straßenkreuzer. Ist das nicht unerhört?«
Nico versetzte dem Wagen einen Klaps,
als sei er ein Pferd. »Ich verstehe deine Aufregung nicht, Goggi«, sagte er.
»Was? Merkst du denn nicht, daß
hier irgendwas faul ist? Papa hat uns in eine Falle gelockt. Er hat sich
heimlich mit dieser Ahne hier getroffen und serviert sie uns nun als sein
Fräulein Braut.« Sie war dem Weinen nahe.
Nico holte sein Taschentuch aus
der Tasche. »Hier. Falls du in Tränen ausbrichst. So kenne ich dich ja gar
nicht. Du kannst von deinem Vater schließlich nicht verlangen, daß er bei dir
um Erlaubnis bittet, wenn er sich mit einer Frau trifft.«
Sie nahm seinen Arm und ging
mit ihm dem Hoteleingang zu. »Ich kann verlangen, daß er mich nicht
hintergeht«, meinte sie düster. »Wenn er anfängt, mich anzulügen, trenne ich
mich von ihm.«
»So. Und wie machst du das?«
»Ich ziehe aus.«
»Und wohin wollen wir bitte
ziehen?«
»Ist mir egal. In einen Bunker.
Auf die Straße. Wir könnten ja schließlich auch bei deinen Eltern Unterschlupf
finden.«
Ein Boy riß die Hoteltür auf
und ließ sie an sich vorbeigehen. Er machte sich mit seinem Körper so schmal
wie ein Bleistift. Goggi schenkte ihm keine Beachtung. Sie dachte an ihren
hintergründigen Vater. Deshalb hatte er also das Haus so bereitwillig geräumt
und immer mit einem merkwürdigen Lächeln betont, er begebe sich auf die Hochzeitsreise.
Ohne Zweifel war auch Paul in dieses Komplott eingeweiht. Der Schuft!
Sie ging auf den Portier zu.
»Mrs. Bonnard erwartet uns. Wissen Sie, wo sie zu finden ist?«
»Mrs. Bonnard wartet hier in
der Halle auf Sie«, erwiderte der Portier. »Gleich dort drüben.«
Goggi und Nico blickten sich um
und steuerten dann auf eine alte Dame mit rosigen Backen und verlorenem Lächeln
zu. Aber in diesem Augenblick erhob sich aus einem Sessel eine schlanke, sehr
grazile Frau und kam ihnen entgegen. Ihr Gang war elastisch wie der eines
jungen Mädchens, und das Gesicht zeigte eine Jugendlichkeit, die Goggi
verwirrte.
»Sind Sie Ronald Guttings
Tochter?«
Goggi nickte. Dieses Geschöpf
in dem schicken Kostüm aus schwerer, weißer Naturseide sollte Papas Flirt von
anno dazumal sein? »Mrs. Bonnard?« sagte sie benommen.
»Nicht Mrs. Bonnard. Sagen Sie
Jeannette zu mir, Goggi.« Sie küßte Goggi auf den Mund und ließ die Hände einen
Augenblick auf Goggis Schultern ruhen, wie um sicher zu sein, daß sie aus Fleisch
und Blut war. »So also sieht diese Tochter aus«, murmelte sie mit einem
rätselhaften Glanz in den braunen Augen.
»Hatten Sie sich mich anders
vorgestellt?« fragte Goggi mit versteckter Angriffslust.
»Die Mädchen sind heutzutage
alle so bildhübsch«, erwiderte Jeannette, ohne auf Goggis Frage einzugehen. »Es
ist ganz unglaublich, wie viele hübsche Frauen es gibt.« Ihr Lächeln, mit dem
sie das sagte, kam von tief innen und nahm seinen Weg über die braunen,
sprechenden Augen zu den hübschen, vollen Lippen.
»Das ist mein Mann«, stellte
Goggi vor. »Orlano.«
»Orlano? Was für ein
melodischer Name. Vorname?«
»Nein, Familienname. Er heißt
mit Vornamen Nico.«
Mrs. Bonnard
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