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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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nachdenklich. »Obwohl — ich war mit keinen besonderen Erwartungen in
diese zweite Ehe gegangen, noch dazu, da ich Sheila nicht bei mir hatte. James
hatte es durchgesetzt, daß Sheila in einem sehr versnobten Internat im Westen
aufwuchs.«
    »Und jetzt bist du also mit
Henry Bonnard verheiratet. Bist du glücklich mit ihm?«
    Sie überhörte diese Frage. »Ich
wollte endlich einen bombensicheren Hafen ansteuern.«
    »Ja, das kann man verstehen.«
    Jeannette studierte sein
Gesicht für die Dauer einiger Sekunden. »Nachdem du mich hast sitzenlassen.«
    »Sitzenlassen, wie das klingt!«
Er winkte dem Ober.
    »Was möchtest du trinken?«
    »Einen trockenen Wermut.«
    »Gut.« Er gab ihren Wunsch an
den Ober weiter. »Und mir bringen Sie auch einen.«
    »Wir haben nicht mehr viel
Zeit, Roni. Sage mir, warum du heute vor mir davonlaufen wolltest.«
    Er hatte auf diese Frage
gewartet und sich darauf vorbereitet, aber plötzlich schienen ihm seine
Argumente durcheinanderzugeraten. Er mußte sie erst wieder ordnen und bückte
sich nach dem Hund, um ihn bedächtig von der Leine loszumachen. »Ich wollte
dich nicht sehen, weil ich Angst hatte, daß du sehr betagt aussehen könntest,
reizlos, weißt du. Seit sich unsere Wege trennten, habe ich nicht aufgehört, an
dich als eine sehr begehrenswerte Frau zu denken und mich zu bemitleiden, daß
ich dich verloren habe. Man hängt an seinem Unglück, das mußt du verstehen,
Jeannette. Ich wollte weiterleiden und weiterträumen.«
    Sie lächelte ihn an. In ihren
Augen irrlichterte ein mokanter Schimmer. »Darauf trinken wir«, sagte sie und
hob ihr Glas, »du willst also unglücklich sein, und das macht dich dann
glücklich.«
    »Ja, so ungefähr.« Er wußte es
selbst nicht genau. »Goggi glaubt, über mich ganz genau Bescheid zu wissen, sie
könnte es dir explizieren. Diese jungen Dinger sind ja heute so entsetzlich
klug.«
    »Ich weiß. Ich habe auch eine
Tochter, die so klug ist, daß sie von einer Dummheit in die andere fällt.
Einmal will sie zum Film, dann mit einem Schwindler zu archäologischen Studien
nach Peru, dann in ein Kloster. Augenblicklich hat sich eine übergeschnappte
Studentin an sie geheftet. Ich hatte heute ein unbehagliches Gefühl am Telefon,
mir kam es so vor, als ob Sheila lallte. Womöglich versucht sie es eben mit
Rauschgiften. Bei ihr ist alles möglich, sie ist kein sehr glückliches
Geschöpf, und ihr Vater tut alles, um ihre guten Eigenschaften mit seinem
vielen Geld zu ersticken.«
    Ronald starrte auf die Zeiger
der großen Uhr. Er war wie ein großer, schwarzer Schicksalsstrich. Wenn er weit
genug vorgerückt war, würde Jeannette nach ihrer Handtasche greifen, sich
erheben und sagen: Es ist Zeit, ich muß jetzt gehen. Er mußte sie fragen, wohin
sie ging, ihre Adresse in Paris aufschreiben, er mußte sie auch fragen, wie
lange sie in Europa bleiben und wo und wann er sie noch einmal treffen könnte.
Er sagte: »Mit deinem jetzigen Mann kommst du aber gut zurecht, nicht wahr?«
    »Wie vorsichtig du dich
ausdrückst. Warum fragst du nicht, ob ich ihn liebe? Ich habe Henry Bonnard
geheiratet, als er ein gutaussehender, charmanter und wohlhabender Fünfziger
war. Das ist jetzt fünfzehn Jahre her. Inzwischen ist er dick geworden. Er läßt
sich gehen und kümmert sich nicht mehr um seine Geschäfte. Er spielt und trinkt
und hat obskure Frauen.«
    Das klang gleichgültig, als spräche
sie von einem fremden Schicksal. »Auch gesundheitlich ruiniert er sich. Die
Ärzte haben ihn eigentlich längst aufgegeben. Nur irgendein merkwürdiger Stern
scheint ihn noch zu halten. Du siehst also, wo ich hinlange, gibt’s Bruch. Ich
scheine wirklich keine sehr glückliche Hand in der Liebe zu haben.«
    »Und warum bleibst du bei ihm?«
    »Ich habe ihn geheiratet, als
es ihm noch gut ging. Ich kann ihm doch jetzt nicht davonlaufen, wo er
abrutscht.«
    »Nein, natürlich nicht«,
pflichtete Ronald ihr bei. »Wir krepieren an unserem Anstand, du und ich.«
    Er sah auf die Linien ihres
Mundes, auf die vollen Lippen mit dem weiten, weichen Schwung. Er hatte diese
Lippen einmal geküßt. Und hier saß er nun, ein ergrauender Pennäler, und
versagte in den wesentlichen Fächern. Der schwarze Schicksalsstrich auf der
großen Uhr hatte sich inzwischen ein gutes Stück vorwärts bewegt.
    Jeannette wollte eben etwas
sagen, als Ronald die Entdeckung machte, daß Jacky sich gelangweilt und
verdrückt hatte. »Verzeih, ich muß den Hund suchen, er hat sich wieder mal auf
eine

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