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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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sitzen wir wieder in unserem Auto
und rasen mit hundertfünfzig Sachen dahin? Morgen?
    Jawohl, morgen.
    Goggi fand ihren Vater nach
dieser Pariser Reise verändert.
    Sie tippte auf ein Abenteuer.
Gleich am ersten Tag sprach sie mit Nico darüber. Aber Nico konnte sich zu
diesem Punkt nicht äußern. »Ich kenne deinen Papa zuwenig, ich habe keinen
Vergleich zu früher«, sagte er ausweichend. Männer hielten zusammen wie Pech
und Schwefel. Für Goggi war es klar, daß Nico mehr ahnte, als er sagte, er
wollte sich nur einfach nicht äußern.
    Auch Fräulein Muhr fand Ronald
Gutting verändert. Sie beschwerte sich darüber, daß er schlanker geworden sei.
»Das soll eine Erholung sein! Ich dachte immer, wunder wie gut die französische
Küche sei«, bemerkte sie spitz.
    »Ist sie auch.«
    »Ja. Für Hunde.« Die Muhr warf
einen mißbilligenden Blick auf die rundlich gewordenen Keulen von Jacky. »Er
ist ganz schön angefressen.«
    »Das ist Fell. Es muß getrimmt
werden.«
    Ronald war in letzter Zeit
etwas streitsüchtig geworden. Er hatte den Überblick über seine innere und
äußere Verfassung verloren. Die Arbeit hatte ihm gefehlt. Vielleicht war es
das. Ein Mann in seinem Alter mußte wahrscheinlich pausenlos schuften, um auf
keine dummen Gedanken zu kommen. Jawohl, arbeiten und nicht verzweifeln. »Ich
komme heute mittag nicht nach Hause, ich esse eine Kleinigkeit im Büro und
arbeite durch«, erklärte er Fräulein Muhr.
    Die Muhr nahm es hin wie eine
unverdiente Beleidigung. Sie? hatte Ronalds Lieblingsspeise auf ihr Programm
gesetzt, Serbisches Hühnerragout. »Wie Sie meinen, Herr Gutting.«
    Ronalds Blick schweifte in den
Garten, wo Jacky sich herumtrieb, um dem Igel Alois einen Antrittsbesuch
abzustatten. Von den Bäumen taumelten sacht rosafarbene und goldgelbe Blätter.
    Er zündete sich eine Zigarette
an und sah zu dem leeren Stuhl hinüber, auf dem Goggi früher gesessen hatte.
Bevor er sich seine eigene Zigarette angesteckt hatte, hatte er ihr über den
Tisch immer Feuer gereicht. Die Hand mit dem Feuerzeug zögerte eine Sekunde.
Vielleicht könnte man der Muhr das Rauchen angewöhnen, dann wäre wenigstens
jemand da, der mit ihm eine Frühstückszigarette rauchte.
    Fräulein Muhr bewegte sich wie
ein dunkler Schatten aus dem Zimmer, und die Tür fiel mit Nachdruck ins Schloß.
Ronald lehnte sich zurück und blickte nach oben. Dort oben frühstückte Goggi
jetzt mit Nico. Selbstverständlich. Das war nicht nur ihr gutes Recht, das war
sogar ihre Pflicht. Er versuchte, Nico zu lieben wie seinen Sohn. Er hatte sich
doch immer einen Sohn gewünscht, nun war ihm einer ins Haus geliefert worden,
ein ausnehmend sympathisches und liebenswürdiges Exemplar sogar, und statt ihn
zu lieben, nagte jetzt die Eifersucht an ihm. Goggi sah hübscher und blühender
aus als je zuvor. Das Glück stand ihr im Gesicht geschrieben. Sie kochte und
brutzelte in ihrer Miniaturwohnung. Gelegentlich roch man es. Das waren die
Tage, an denen sie etwas anbrennen ließ, zwei- bis dreimal in der Woche.
    Manchmal kamen Nicos zahlreiche
Verwandte, und dann arrangierte man ein gemeinsames Abendessen bei Ronald. Er
liebte die vitale Sippe der Orlanos, die das Haus mit ihrem Lachen und ihrem
lauten Reden erfüllte. Er konnte auch Herrn Berthold Hüsli, der oft von der
Schweiz herüberkam, gut leiden. Hüsli und Francesca wollten Weihnachten
heiraten. Francesca hatte ihn aufgelockert. Er sah jetzt nicht mehr aus wie der
Repräsentant eines Beerdigungsinstitutes, sondern trug eine grellfarbige
Krawatte und zeigte sich mächtig aufgekratzt. Geschäftlich hatte er große
Rosinen im Kopf und ließ durchblicken, daß eine dieser Rosinen Nico war. Nico
wollte er mit einem Spezialauftrag durch Nordafrika, Spanien und Portugal
schicken, sobald dieses Projekt spruchreif war.
    Nico war im Kommen, ein
leidenschaftlicher und ehrgeiziger Fotograf, dem immer mehr Aufträge von der
Industrie zugingen. Er konnte es sich jetzt schon leisten, einen Teil dieser
Angebote zugunsten von Zeitschriften, die seine eigenwilligen Bilder und
Fotoserien brachten, abzuschieben. Na also, ist ja wunderbar, sagte sich Ronald
mit einer vorgetäuschten Erleichterung. Da kann ich mich ja bald aufs Altenteil
zurückziehen. Günstiger wäre es allerdings, wenn Goggi einen Kaufmann oder
einen Chemiker geheiratet hätte, der einmal die Gutting Kosmetik KG übernehmen
könnte. Aber ich kann ja auch den ganzen Zimt verkaufen. Gegen eine Leibrente.
Oder gegen einen Platz im

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