Mann mit Anhang
sie schweigend. »Er tut, als hätte er die erste
Hypothek auf mich. Ich hasse ihn«, stieß sie erbittert hervor. Jeannettes
Schweigen forderte sie zu weiteren Ausbrüchen heraus. »Er ist schlimmer als
eine Naturerscheinung. Vor Hagel und Blitz und Schnee kann man sich schützen.
Aber vor John nicht. Ich hasse die Männer überhaupt, alle miteinander.«
»So.«
»Besonders diese jungen
Schnösel.«
»Dieser Schnösel scheint aus
Schottland zu stammen. Was tut er dort?«
»Er züchtet Rinder und Schafe.
An der Ostküste, soviel ich weiß.«
Jeannette nahm sich von dem
Kaviar, den der Ober auf Eis servierte. »Warum stellt er dir nach? Was will er
von dir?«
Sheila verzog verächtlich den
Mund. Sie schwieg.
»Dein Geld?«
»Ach was, dem ist Geld egal. Er
hat genug.«
»Was dann?«
»Das kannst du dir doch denken.
Mich herumkriegen. Nicht so, wie du meinst; er will mich heiraten.«
»Na und? Findest du das denn so
außergewöhnlich?«
Sheila betrachtete ihre Mutter
nachdenklich, während ihr Gesicht die verschiedenartigsten Empfindungen widerspiegelte.
»Ich finde es außerhalb jeder Diskussion«, sagte sie.
»Darf ich wissen, warum?«
»Das fragst ausgerechnet du,
Mam? Ich habe deine drei Ehen vor Augen. Sie waren alle drei großartige
Mißerfolge. Ich kenne genug andere Ehen, die ebenfalls in die Binsen gingen.
Wohin ich schaue, gehen die Ehen schief.«
Sie hatte begonnen, mit ihrem
brillantbesetzten Platinarmband zu spielen. Auf ihrem Gesicht lag ein Lächeln,
das das Lächeln eines verträumten jungen Mädchens hätte sein können, wenn nicht
die nachfolgenden Worte hart wie wohlgezielte Hammerschläge gefallen wären. »Du
weißt, daß ich auf Daddy keine großen Stücke halte. Ich schätze ihn nicht sehr,
wenn du mir diese Äußerung gestattest. Er ist ein Neurastheniker, und ich kann
verstehen, daß er dir das Leben sauer gemacht hat und du von ihm weggelaufen
bist. Aber eines gefällt mir an ihm: seine Dollars. Und daß er mir so einen
noblen Anteil davon abzweigte. Später werde ich wahrscheinlich noch viel mehr
von ihm bekommen. Geld ist wunderbar, Geld ist eine gerade und einleuchtende
Sache; ich glaube, es ist das einzige, was ich wirklich liebe. Ich bin mit
meinem Geld verheiratet, das genügt mir.«
»So dumm reden nur Geizkrägen
daher. Du gibst dein Geld viel zu leicht aus, um es wirklich zu lieben.
Gottlob. Du willst nur zu gern zynisch sein. Du weißt aber hoffentlich, daß du
kompletten Unsinn schwätzt. Ein einziger kleiner Ruck in der Weltgeschichte,
und dein Geld ist futsch. Dann sitzt du da mit deiner materialistischen
Religion und hast keinen Gott zum Anbeten mehr.« Sie nahm ihr mechanisch die
Wodkaflasche weg, nach der Sheila ein drittesmal greifen wollte. »Nur immer ein
einziges kleines Glas trinkst du? Hast du das nicht vorhin gesagt?«
»Ja. Aber nicht, wenn ich
wütend bin.« Sheila ritzte mit dem Nagel Figuren in die Tischdecke. »Ein Mann?«
murmelte sie verächtlich. »Was sind denn das alles für Kerle, diese jungen
Burschen! Ich möchte einmal einem richtigen Mann begegnen, der im Leben
Bescheid weiß. In einen gutaussehenden Mann von vierzig oder so, einen wirklich
männlichen Mann, könnte ich mich verlieben.«
Neue Gäste kamen herein, eine
laute und durcheinandergewürfelte Gesellschaft internationaler Bummler. Durch
die geöffnete Tür schwemmte von der Straße der anonyme Lärm der Weltstadt, das
Branden und Brodeln, das sich aus dem Stampfen der Motoren zusammensetzte, der
großen und kleinen, der alten, klapperigen Kisten und der kostspieligen
Luxusautos. Ronalds blauer Wagen, den er ziellos durch die Straßen von Paris
steuerte, war auch dabei, ein einzelnes, vielfach überspieltes Instrument in
dieser dröhnenden, gewaltigen Sinfonie der Metropole.
»Ein Mann Mitte Vierzig,
gutaussehend, mit grauen Schläfen, ein Mann mit Erfahrung, mit guten
Allüren...« spöttelte Jeannette und betrachtete abwesend ihre Hand, die Roni geküßt
hatte, ohne sie festzuhalten. »Du glaubst also, so einer wäre der richtige?
Nein, Kind, das kann genausogut der falsche sein.«
Sheila sah ihre Mutter an,
kritisch, überlegen und ein wenig mitleidig. »Du mußt es ja wissen«, sagte sie
und tauchte den Löffel in die Suppe.
Jeannette nickte.
Aus Sheilas Augen sprach neben
der Neugier etwas wie Anteilnahme. »War wohl eine Pleite in München, Mam?« Ihre
Stimme war weicher als sonst.
Jeannette zerknackte ein
Streichholz in viele kleine Teile. »Es war eine Zwischenlandung,
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