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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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gegen den Fels, nahm sie sacht zurück und trug sie hinaus in die
Unendlichkeit.
    Ronald freute sich, daß neben
ihm ein schönes Mädchen saß und dieselben Dinge sah, die auch er sah, daß
dieses Mädchen dieselbe Luft atmete und dasselbe Rauschen vernahm. Er fühlte
sich glücklich und jung. Die Sorgen der Jahre, die Müdigkeit, die Einsamkeit
und die Trauer über Versäumtes fielen von ihm ab.
    Das Mädchen grub die Hände in
die struppigen, trockenen Grasbüschel zu beiden Seiten. Plötzlich sagte sie:
»Von einem Mann wie Sie habe ich immer geträumt.«
    Hielt sie ihn zum besten? Das
ernste, fast feierliche Gesicht verwirrte ihn. »Das zeigt mir, daß ich
allmählich ein alter Herr werde«, meinte er scherzend. »Der Mann mit den grauen
Schläfen, dem gefurchten Gesicht und dem wissenden Lächeln, der Schwarm der
jungen Mädchen. So ein Zwischending zwischen väterlichem Freund und Verführer.«
    Sie lehnte den Kopf ohne
irgendeine Scheu gegen seine Schulter. »Ja. Ein ganzer Mann eben.«
    Ronald legte seinen Arm
behutsam um die schmale Gestalt. Ein knochiges kleines Ding. Sie fühlte sich
an, wie wenn sie nicht genügend zu essen bekäme. »Ein ganzer Mann. Dazu gäbe es
vieles zu sagen.«
    Sie kuschelte sich enger an
ihn. »Für mich ist es wunderbar, mit Ihnen hier zu sitzen und nichts von Ihnen
zu wissen. Sie empfinden wahrscheinlich ganz anders. Sie überlegen sich jetzt,
was Sie mit mir anfangen sollen. Und was nicht. Und wie Sie es anfangen und wie
aufhören sollen. Männer denken doch immer so grundsätzlich.«
    »Ich überlege mir, ob es jetzt
noch irgendeinen Sinn hat, mich Ihnen vorzustellen. Ich hätte es längst tun
müssen. Jetzt ist es schon beinahe lächerlich. Am besten ist es wohl, morgen
früh meine Besuchskarte bei Ihnen abzugeben. Aber meinen besten Freund darf ich
Ihnen vielleicht vorstellen. Das ist Jacky, der nur durch einen Zufall kein
Gentleman, sondern ein Hund geworden ist.«
    »How do you do, Jacky. Glad to
meet you.« Sie streckte ihre kleine Hand nach ihm aus, und Jacky schnupperte
daran und fand sie o. k. Er rückte näher und pflanzte sich vor seinem Herrn
auf. Was trieb der eigentlich? Er hatte ihn noch nie in einer so engen
Verstrickung mit einer Frau gesehen, nicht einmal mit der Muhr, die ihm doch
täglich sein Essen hinstellte.
    Ronald blickte über das
schwarze Haar des Mädchens auf das atmende Meer hinaus. Das dunkle Schiff im
Schnittpunkt zwischen Wasser und Horizont sah nicht größer aus als ein
Bleistift. Wahrscheinlich war es ein mächtiger Handelsdampfer, der von
Gibraltar kam und Valencia anlief.
    »Ich habe es mir überlegt, ich
möchte doch wissen, wer Sie sind«, sagte das Mädchen.
    »Ein Mann aus München, ein
stocknüchterner Geschäftsmann auf Urlaub. Ronald Gutting.«
    Sie schnellte von ihm weg, als
hätten seine Worte einen elektrischen Kontakt ausgelöst. »Sie sind das?«
    Die Art, wie sie reagierte,
verwirrte ihn. »Wieso?«
    »Mamas Trauma. Der dunkle Punkt
in ihrem Leben. Oder der einzige Lichtpunkt. Ich weiß es nicht. Ich habe es nie
ganz begriffen. Sie sprach von Ihnen als dem Mann ihrer Jugendjahre. Mehr
konnte ich aus ihr nicht herauslocken.«
    Ronald begriff. Die Kehle wurde
ihm eng, und er wußte nicht genau, was er sagte. »Ja, ja, so ist es, Sie sind
Jeannette Bonnards Tochter...«
    Sie warf sich ganz unerwartet
auf den sandigen Boden mit dem strähnigen Gras und den vielen Steinen und
begann zu schluchzen. »Jetzt begreife ich alles. Mama hat das ganze
angezettelt. Sie stecken mit ihr und Jonny unter einer Decke. Sie sollen mich
zur Vernunft bringen, nicht wahr? Mir meine Verrücktheiten austreiben und mich
in eine Ehe mit MacCrowley treiben. Und testen sollen Sie mich, wie ich mich
Männern gegenüber verhalte. Und dann Mama Bericht erstatten.«
    Sie hämmerte mit den Fäusten
auf die Erde, ganz rasch und sehr, sehr zornig. Es klang wie das Trappeln von
Pferden.
    »Ich schwöre Ihnen, Sheila...
so heißen Sie doch, wenn ich nicht irre.«
    Aber sie hörte nicht auf seine
Worte. »Hören Sie auf«, schluchzte sie und hielt sich die Ohren zu. »Sie sind
wie Mama. Sie schlagen aus dem Hinterhalt zu, ihr seid ein und dieselbe
Generation, ihr seid alle gleich, unehrlich gegen euch selbst und gegen andere,
euch steckt die verlogene Moral eurer Eltern noch in den Knochen.
Predigernaturen seid ihr, ewige Mahner. Ich kenne diese Erbauungsreden zur
Genüge. Was wollt ihr eigentlich alle von mir? Ich bin unabhängig, ich kann
tun, was ich will. Wenn

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