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Mann mit Anhang

Mann mit Anhang

Titel: Mann mit Anhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gitta von Cetto
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Bonnard doch ihren rechtmäßigen Mann verloren. Und er hatte auf
seine Art vorgesorgt, daß Jeannette ihn auch über seinen Tod hinaus nicht so
rasch vergaß. Sie würde sich intensiv mit seinen verworrenen
Hinterlassenschaften zu beschäftigen haben.
    Ronald kamen plötzlich
Bedenken, ob Bonnard überhaupt schon beerdigt war. Er wußte nichts über den
genauen Zeitpunkt seines Ablebens. Die Vorstellung, womöglich neben Jeannette
am offenen Grab von Henry Bonnard zu stehen, verursachte ihm Unbehagen. Er
gestand sich ein, daß er eifersüchtig war auf die Männer, die Jeannette
geheiratet hatte, auf alle drei. Das Abenteuerliche seiner Reise wurde ihm erst
jetzt klar. Aber er kam nicht dazu, diesen Empfindungen lange nachzuhängen,
denn das Taxi, das von der Hauptstraße in eine der palmenbeschatteten
Nebenstraßen eingebogen war, machte nun eine sanfte Schwenkung und hielt vor
einem etwas erhöht liegenden Haus.
    Dieses Haus war in Anlehnung an
den maurischen Stil erbaut, das Märchenhaus eines Millionärs, wie man es vom
Film her kannte. Durch das Tor konnte Ronald einen Blick in den Patio tun,
einen lieblichen, verträumten Innenhof, der nicht von dieser Erde zu sein
schien.
    Ronald zahlte das Taxi. Im
gleichen Augenblick tauchte an dem mächtigen Gittertor wie aus der Erde
gestampft ein Butler auf, ein kleiner, graziler Bursche mit tänzerischen
Bewegungen. »Die Señora erwartet Sie, mein Herr«, sagte er und wies in das
kühle Halbdunkel des Hauses.
    Ronald erkannte an seiner
Aussprache den Südfranzosen. Er drückte ihm die langstieligen Rosen in die
Hand. »So? Erwartet sie mich?«
    Der Butler ergriff den Koffer,
den der Taxichauffeur auf den Boden gestellt hatte. »Gewiß, mein Herr. Nur
nicht ganz so früh.«
    So früh, du lieber Himmel! War
er nicht reichlich spät dran? Noch später als nach zweiundzwanzig Jahren konnte
er wohl nicht kommen und um Jeannette werben. Er hatte den letzten freien Platz
im nächstbesten Flugzeug gebucht und Jeannette nicht telegrafiert. Wieso
erwartete sie ihn? Hatte Sheila ihn angemeldet? Oder Goggi?
    Während er die Halle
durchschritt, nahm er die Umgebung wahr, kostbare Skulpturen aus allen
Erdteilen, zauberhafte Wandbehänge und prächtige Teppiche. Sammlerstücke.
Ronald verstand etwas von Teppichen und überschlug ihren Wert. Er hätte
Jeannette nicht in einer so feudalen Umgebung gesucht und trug Henry Bonnard
diese Anhäufung von Luxus und gutem Geschmack fast nach. Gegen diesen Palast
war sein Münchner Haus eine schäbige Hütte.
    Das Zimmer, in das der Butler
ihn führte, stand in wohltuendem Kontrast zu den übrigen Räumen, die er
durchschritten hatte. Es war von einer schlichten Bürgerlichkeit. Er erkannte
auf den ersten Blick, daß dieser freundliche, so ganz aus dem Rahmen fallende
Raum Jeannettes persönliche kleine Insel war, ein Refugium, in dem sie sich
gegen alle Angriffe von außen verteidigte. Gerührt nahm er die hellen
Biedermeier-Möbel wahr. Er kannte sie noch aus Jeannettes Mädchenzeit. Sie
hatte sie von ihrer Urgroßmutter geerbt und damals in den dreißiger Jahren
darüber etwas die Schulter gezuckt. Inzwischen schien sie ihren Wert entdeckt
zu haben, denn über die halbe Erde hatte sie diese Möbel hierher geschleppt.
    Während er diesen Gedanken
nachging, stand plötzlich Jeannette vor ihm. Ihr blasses Gesicht wurde noch
blasser.
    »Du, Roni?« sagte sie mit
stockendem Atem und ließ die ausgestreckte Hand sinken. »Ich hatte gedacht,
Sami Korthes wäre es. Ich erwarte ihn.«
    Die Erwähnung eines anderen
Mannes versetzte Ronald einen Schlag. Sein erster Impuls war gewesen, die
schmale, zerbrechliche Jeannette, die für ihn nicht älter und nicht fremder und
nicht reizloser geworden war, in seine Arme zu nehmen. Aber jetzt stand er
bewegungslos da und hatte ein steifes Lächeln auf dem Gesicht. Wer war Sami
Korthes? Ehemannaspirant Nummer vier?
    Das Kostüm aus schwarzer,
matter Schantungseide stand Jeannette vorzüglich. Ihr dunkles, gewelltes Haar
war meisterhaft geschnitten und gelegt, ein wenig zu kurz, fand Ronald. Er
hätte es lieber länger und fraulicher gesehen. Noch lieber hätte er es aber
gesehen, wenn sie sich für Sami Korthes nicht so sorgfältig zurechtgemacht
hätte. Ihr Make-up war ihm zu aufreizend. Sie erweckte nicht gerade den
Eindruck einer lustigen, aber doch einer sehr, sehr hübschen, aparten und
begehrenswerten Witwe.
    Doch es mußte etwas geschehen,
er mußte etwas sagen. »Arme Jeannette, du hast schlimme Tage

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