Mann Ohne Makel
ab mit Stroh.
Ossis Handy klingelte. »Winter.«
»Stachelmann, was gibt’s?«
»Wo bist du?«
»Ich plane gerade für heute Nacht einen Einbruch. Soll ich dir sagen, wo? Damit du schon mal den Kollegen Bescheid geben kannst?«
»Red keinen Scheiß!«
»Ich red keinen Scheiß!«
»Hast du den Berliner Kollegen alles erzählt über den Anschlag auf dich?«
»Was soll die blöde Frage? Einen Anschlag auf mich hat es doch nie gegeben.«
»Jetzt sei nicht beleidigt.«
»Entweder findest du, dass ich beleidigt oder hysterisch bin, such dir mal eine dritte Variante aus. Vielleicht wird dann alles einfacher.«
»Pass auf, es ist wichtig. Wir suchen einen älteren Mann mit einem grauen Jackett.«
»Und weißen Haaren. Den habe ich auch schon bemerkt«, sagte Stachelmann. »Der ist gewissermaßen mein ständiger Begleiter auf einigen meiner Fahrten gewesen. Zurzeit wohnt er im Hotel Adlon, falls dir das hilft. Jedenfalls habe ich ihn zuletzt dort gesehen. In seiner Freizeit schubst er übrigens Leute auf Bahngleise.«
»Warte einen Moment.« Ossi bedeckte das Handymikrofon mit der Hand. »Im Hotel Adlon in Berlin wohnt vielleicht noch unser Mann. Schick sofort Berliner Kollegen, die sollen den Kerl erst mal festsetzen.«
Taut griff zum Telefonhörer.
»Weißt du, wie er heißt?«
»Nein«, erwiderte Stachelmann. »Ich weiß nur, dass er ein graues Jackett trägt und weiße Haare hat, die etwas unsoldatisch geschnitten sind. Oder unpolizeilich, wenn dir das lieber ist. Jedenfalls hat er längere Haare, am Ende gelockt. Der Typ ist außerdem ein Sonnenanbeter. Von solchen älteren Herren soll es in Deutschland übrigens ein paar mehr geben. Noch was?«
»Jossi, jetzt stell dich nicht so an. Tut mir Leid, ich habe mich geirrt.«
»Wenn du mich nicht für bekloppt halten würdest, hättest du dir diese Peinlichkeit erspart.« Stachelmann legte auf.
Ossi spielte einen Augenblick mit seinem Handy und mit der Idee, Stachelmann noch einmal anzurufen. Er ließ es, hatte keine Lust, einzureden auf einen Mann mit übler Laune. Er kannte diese Phasen von früher. Es dauerte schlimmstenfalls ein paar Tage, bis Stachelmann wieder der Alte war. Menschen ändern sich nicht, dachte Ossi. Das ist gut und schlecht zugleich. Es würde ja reichen, wenn sie ihre miesen Eigenschaften ablegten und die besseren behielten.
»Ihr fahrt jetzt zu dem anderen Makler. Wie hieß er noch?«, fragte Taut.
»Ammann«, sagte Carmen.
»Ich würde dem Herrn mal sagen, dass unser Killer alle Leute besonders schätzt, die mit unserer Ermittlung zu tun haben. Und das hat der Herr Ammann dann ja auch, wenn ihr ihn besucht. Ich werde dem Grothe mal einen Kollegen vor die Tür stellen und dem Meier auch. Das Gleiche gilt für Ammann. Vielleicht ist es unnötig, und der Fritze im Adlon ist unser Mann. Vielleicht ist aber mal wieder alles ganz anders, als Tante Käthe denkt.« Taut stand auf, was eigentlich nur geschah, wenn er aufs Klo musste oder essen ging. Er hasste die Kantine und den Fraß, den Polizisten im Dienst in sich hineinstopften. Taut hatte einen erlesenen Geschmack, eigentlich zu teuer für einen Polizeibeamten. Hin und wieder tat es aber auch eine Imbissstube. »Und passt auf euch auf, eine Tote in der Abteilung reicht.«
»Wir tun unser Bestes«, sagte Carmen. Ossi schüttelte den Kopf. Sie gingen.
Gottlob Ammann wohnte in einem Stadthaus in der Hagedornstraße in Eppendorf. Die Gegend sah aus wie frisch poliert. Die Rasen waren kurz, die Wege gefegt, die Fassaden weiß, blau oder grün. So etwas wie einen Baustil gab es nicht, jedes Haus sah anders aus als das andere, jedes stammte aus dem Katalog eines anderen Herstellers, der seinen Kunden das häusliche Glück auf Erden versprach. Carmen lachte, als sie die Siedlung sah. »Da haben sie also auch mit Lego gespielt«, sagte sie.
Ammann wohnte im Haus Nummer 3a. Ossi klingelte, ein Mann öffnete die Tür. Er war klein und dick, auf dem Kopf Strähnen dünner Haare. Eine fleischige Nase überwölbte fast den Mund.
»Sie wünschen?« Es klang misstrauisch und schlecht gelaunt. Die Stimme war gequetscht und zu hoch.
Ossi zeigte seine Polizeimarke. »Guten Tag, Kriminalpolizei, Winter, das ist meine Kollegin Hebel. Sie sind Herr Ammann?«
Der Mann zögerte, dann öffnete er die Tür. »Ich bin Ammann, kommen Sie herein. Es wird Zeit, dass Sie hier erscheinen.« Er trat zur Seite. »Vor einer Woche habe ich bei Ihnen angerufen, aber es ist niemand gekommen.«
Ossi und Carmen
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