Mann Ohne Makel
betraten den Flur. Er war übersät mit Imitaten von Ölgemälden. Ein Läufer dämpfte den Tritt. Ammann führte sie ins Wohnzimmer. Ammann wies auf das Sofa, Ossi und Carmen setzten sich nebeneinander.
»Sie kommen wegen meines Hundes?«, fragte Ammann.
»Wir ermitteln in einem Mordfall. Es geht um die Familie Holler. Sie haben davon gehört?«
Ammann nickte.
»Sie haben, ich glaube 1981, Ihre Maklerfirma an Herrn Holler verkauft?«
Ammann nickte. Dann hob er die Augenbrauen. »Und warum kommen Sie zu mir?«
»Wir besuchen alle Makler, deren Firmen Holler übernommen hat. Sofern sie noch leben«, sagte Carmen.
»Man wird nicht jünger«, sagte Ammann.
Ossi stand auf und ging zum Fenster, das auf die Hausrückseite zeigte. Er schaute hinaus und erschrak. Auf der Terrasse lag ein Hund, irgendwas zwischen einem Collie und einem Terrier, er musste schon seit einigen Tagen tot sein, erste Zeichen der Verwesung waren sichtbar. »Da liegt ein toter Hund«, sagte er.
Carmen schaute Ossi an, als wäre er verrückt geworden.
Ammann verzog keine Miene. »Das ist Bello. Letzte Woche ist er in dieser Straße überfahren worden. Das ist eine DreißigStundenkilometer-Zone, aber keiner hält sich dran. Da raste so ein Auto, ohrenbetäubend laut, mit dicken Reifen durch die Straße und hat meinen Bello totgefahren. Ich habe die Polizei angerufen, glauben Sie, die interessiert sich für so was?« Er klang gleichmütig.
»Und warum liegt der Hund noch da?«
»Ich kann mich nicht von ihm trennen. Verstehen Sie das?«
»Nein«, sagte Carmen. »Es ist gefährlich, tote Körper herumliegen zu lassen.«
Ammann schaute sie an, als hätte sie ihm einen Auszug aus dem Fahrplan der Deutschen Bahn vorgelesen.
»Wir müssen wissen, warum Sie Herrn Holler Ihre Firma verkauft haben«, sagte Ossi.
»Das ist doch ganz einfach. Die Konjunktur war mäßig, und der Holler hat einen vernünftigen Preis geboten. Das ist normal, in der Krise müssen kleine Unternehmer froh sein, wenn sie aufgekauft werden. Viele gehen pleite und enden als Schuldner. Mir ist das erspart geblieben.«
»Aber einige Zeit nach dem Verkauf kam Holler und hat eine Rückerstattung gefordert.«
»Ja, aber das war nicht viel. Er hatte Recht. Meine Kartei war in den letzten Monaten nicht mehr gepflegt worden, ich konnte meine Sekretärin nicht halten. Und dann gab es noch ein Grundstück und zwei Häuser im Paket, die in einem grauenhaften Zustand waren.«
»Aber Holler hat sich das alles doch vor dem Kauf angesehen.
Oder hat er Kartei und Häuser blind gekauft?«
»Nein, nein. Aber es ist nicht ungewöhnlich, dass sich Monate, manchmal Jahre nach dem Kauf versteckte Mängel zeigen, die auch der Verkäufer nicht kannte, für die er aber haftet.«
»Warum wurden Sie als Makler Hausbesitzer? Und warum haben Sie nicht nur Ihre Firma verkauft, sondern auch die Immobilien?«
»Auch das ist nicht ungewöhnlich, die Immobilien gehörten der Firma, sie sind bei einer Transaktion gewissermaßen hängen geblieben.« Er wackelte leicht mit dem Kopf. »Hängen geblieben«, sagte er. Die Formulierung schien ihm zu gefallen.
»Können Sie sich vorstellen, dass jemand Herrn Holler hasst, bis auf den Tod?« Es klang so, als hätte Carmen sich nach den Wetteraussichten erkundigt.
»Ich kenne Herrn Holler nicht, sieht man mal ab von den Verkaufsverhandlungen, die ich mit ihm geführt habe. Woher soll ich wissen, wer ihm Böses will? Man liest ja hin und wieder was über den Herrn, er ist mildtätig und macht kein Theater daraus. Das ist heutzutage selten, wo jeder Idiot prominent sein will. Vielleicht hat er ein schlechtes Gewissen und was zu verbergen. Vielleicht will er nicht, dass die Presse sich mit ihm beschäftigt, vielleicht spendet er so viel, weil er was ausgefressen hat und jetzt Punkte sammelt, für welche Abrechnung auch immer. Vielleicht, vielleicht, vielleicht. Woher soll ich das wissen?
Ist das nicht Ihr Job? Zahlen wir Bürger nicht Steuern dafür, dass Sie Mörder fangen, auch den Irren, der meinen Bello tot gefahren hat?«
Ossi saß auf dem Sofa und hörte zu. Seine neue Kollegin war forsch, vorlaut, ihr war es egal, dass er ein höheres Dienstalter hatte. Sie nahm die Sache in die Hand, sie machte es gut. Ossi musste es schlucken. Sie stellte Fragen, auf die er nicht gekommen wäre. Manche Fragen schienen abwegig zu sein, aber der Fall, in dem sie herumrührten, war noch abwegiger. Wenn sie je eine Lösung fanden, dann wohl nur auf diese Art. Alles
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