Mann Ohne Makel
sonst interessiert sich keiner für uns. Ab und zu führen sie den Herrn Spiegel irgendwo vor, und damit hat es sich. Wieder was getan fürs schlechte Gewissen und den Autoabsatz in Amerika.«
Stachelmann hörte zu. Er mühte sich, ruhig zu bleiben. Das war schwer, sie hatten zwei Namen von Überlebenden, ohne lange Suche. Zwei Männer, Goldblum und Kohn, deren Namen auf Herrmann Hollers Liste standen. Vielleicht war das schon der Volltreffer.
»Ob Sie mir noch die Adresse von Herrn Kohn geben könnten?«, fragte Stachelmann höflich.
»Das darf ich nicht«, sagte die Dame. »Ich habe Ihnen schon zu viel erzählt.«
»Komische Frau«, sagte Anne, als sie das Gemeindehaus verlassen hatten.
***
»Wir kommen so nicht weiter«, sagte Ossi.
Sie antwortete nicht, saß auf dem Beifahrersitz und schaute hinaus.
»Und wenn wir uns einen Haftbefehl gegen Holler besorgen?«
»Wie willst du den denn kriegen?«
»Hast Recht, ist Unsinn.«
»Lass uns Grothe hart anfassen. Und wenn das nichts bringt, nehmen wir uns diesen Affen Meier zu Riebenschlag noch mal vor.«
»Weißt du, was ich glaube? Wir drehen uns im Kreis. Natürlich, Stechereien zwischen Maklern. Aber es könnte doch was anderes sein? Du hast mir doch erzählt von dem Anschlag auf deinen Freund mit dem komischen Namen. Und wenn doch was dran ist? Wenn alles ganz anders aussieht?«
»Klar, könnten auch Marsmännchen sein. Die sind gelandet und bringen am liebsten Maklerehefrauen und Maklerkinder um, und wenn sie die nicht kriegen können, schubsen sie überkandidelte Historiker auf Bahngleise.«
Sie schwieg, drehte ihm den Hinterkopf zu.
»Entschuldigung, brauchst ja nicht gleich beleidigt zu sein. Aber jetzt stell dir mal vor, wir haben den Holler umsonst ausgefragt, der Präsident zieht uns die Ohren lang, bis sie reißen. Und die Presse verarbeitet uns zu Gulasch.«
Sie schaute ihn an. »Red doch keinen Quatsch. Wenn wir in die falsche Richtung ermitteln, müssen wir sofort damit aufhören und eine andere Spur suchen. Auch wenn der Präsident tobt. Der hat doch sowieso nur die nächsten Wahlen im Kopf. Und wenn die Presse uns schlachtet, ich kann’s nicht ändern. Also, ich finde, wir fahren jetzt zu Grothe, und wenn der uns nicht weiterbringt, gehen wir zu Taut und sagen, dass wir die Ermittlung gegen die Wand gefahren haben. Und dann reden wir noch mal mit deinem Historikerspezi. Wenn der nicht inzwischen unter der U-Bahn gelandet ist.«
»Okay«, sagte Ossi. Sie hatte Recht. Es ärgerte ihn, er kam sich vor wie ein Sturkopf.
***
Sie waren im Altenheim Spätes Glück. »Herr Goldblum ist im Gemeinschaftsraum, es ist Kaffeezeit«, sagte eine junge dicke Frau mit dunkelbraunen Haaren. Sie zeigte mit dem Finger auf eine Tür am Anfang eines dunklen Flurs. Stachelmann ging voraus. Er klopfte an die Tür und öffnete sie. Sie standen in einem mit Holz getäfelten Raum mit weißen Gardinen. An der Wand Bilder mit Seefahrtmotiven. Alte Menschen saßen um runde Tische, vor ihnen weißes Kaffeegeschirr, in der Mitte der Tische spiegelnde Thermoskannen. Stachelmann beugte sich am ersten Tisch zu einer alten Frau. »Entschuldigen Sie, ich suche Herrn Goldblum.«
Die Alte schaute ihn böse an. »Was wollen Sie denn von dem?« Sie schmatzte beim Sprechen klebrige Kuchenkrümel aus dem Mund.
»Eine Art Familienangelegenheit.«
Die Alte musterte Stachelmann von oben bis unten. Dann drehte sie sich weg und wies mit dem Zeigefinger zu einer gläsernen Tür. »Er sitzt wahrscheinlich draußen in der Sonne und gafft.«
Stachelmann und Anne gingen zur Tür. Auf einer Terrasse aus Betonsteinen saß ein Mann auf einem Stuhl. Er wandte ihnen die Seite zu. Die Beine hatte er auf einen anderen Stuhl gelegt. Eine schmutzigbraune Decke wärmte Bauch und Beine bis zu den Knien. Stachelmann fiel die große Nase auf. Er öffnete die Tür, der Mann reagierte nicht.
»Guten Tag«, sagte Stachelmann.
Der Mann bewegte sich nicht. Seine Augen waren offen, er schaute vor sich hin, Stachelmann konnte nicht erkennen, was der Mann betrachtete.
»Sind Sie Herr Goldblum?«, fragte Anne und stellte sich in den Blick des Alten.
Er schaute sie an, dann schwenkte sein Blick zu Stachelmann, um sofort zu Anne zurückzukehren. »Wollen Sie mir einen Heiratsantrag machen?« Seine Stimme war heiser und dünn. Er war schlecht zu verstehen.
»Später vielleicht«, sagte Anne.
»Ich habe also Chancen?«
»Jeder hat Chancen.«
»Unsinn. Sie sollten mich nicht für blöd
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