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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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handschriftlichen Notizen, dazwischen Getipptes. Rosenzweig, Fuhlentwiete 24, 2370 RM, Goldblum, Laufgraben 3. Aus dem Kopf einer Hausmitteilung schloss Stachelmann, dass die Papiere ebenfalls von der Hamburger Gestapo stammten. Auf den Zetteln standen Namen, Adressen, Telefonnummern. Bronstein, Grindelberg 36, 2tsd. – Mahler, Hoheluftchaussee 16a, 3500 – Meyer, Mittelweg 93,800 RM. Auf einem Papier war gekritzelt Of. Schirmer anrufen!!! Kohn!!! Stachelmann blätterte weiter. Enheim 8 Uhr Anker. Die Augen brannten. Er hatte krumm gesessen, der Schmerz kehrte zurück. Er kniff die Augen zusammen. Lief hin und her. Steckte seinen Kopf aus dem Fenster, der Verkehr rauschte von Mittelweg und Rothenbaumchaussee her. Es wurde dunkel.
    Er setzte sich wieder an den Schreibtisch. Eine Mücke sirrte um seinen Kopf. Er schlug nach ihr, vergeblich. Er blätterte weiter. Auf einem Zettel stand Rosenzweig – 5000 RM. Auf einem anderen ein Name mit Adresse. Darunter 7000. Dann ein Brief, nur wenige Zeilen. Stachelmann pfiff leise, als er den Briefkopf las. Das Schreiben stammte vom Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt, unterzeichnet hatte Pohl.
    Werter Kamerad Holler, ich habe mit Hilfe des RF die Sache in Ihrem Sinne geklärt.
    Das kostet Sie aber was beim nächsten Mal! Spätestens nach dem Endsieg!
    Heil Hitler!
    Pohl SS
    Obergruppenführer und General der Waffen-SS
    Stachelmann lehnte sich zurück. Er hatte wieder einen Zipfel in der Hand, Zuerst die Akten in Berlin, jetzt Pohls Brief an Herrmann Holler. Möglicherweise gehörten sie zu einem einzigen Vorgang. Was konnte Pohl für Holler mit Himmlers Hilfe geklärt haben? Dass die Hamburger SS-Mafia weiter rauben durfte? Er blätterte weiter. Immer wieder Namen, Adressen, Beträge. Dazwischen kurze Notizen. Rosenzweig! Schirmer! Schirmer, diesen Namen hatte Stachelmann schon einmal gelesen. Er blätterte zurück. Stimmt, Schirmer war Oberscharführer. Stachelmann suchte das Organigramm. Er fluchte, es musste unter einem Stapel liegen. Er fand es auf dem Fußboden. Schirmer war nicht verzeichnet. Wie Enheim. Die SS-Leute hatten Komplizen in anderen Dienststellen. Oder das Organigramm war unvollständig. Stachelmann fand einen weiteren Brief an Herrmann Holler. Er hatte Schulden gemacht in einer Kantine, 12 Reichsmark und 32 Pfennig. Es musste Hollers Akte sein, ein anderer hätte diesen Brief nicht erhalten und nicht aufbewahrt. Was bedeuten die Namen, die Zahlen, die Adressen? RM stand für Reichsmark. Waren die genannten Summen Kaufbeträge? Einige Namen klangen jüdisch. Rosenzweig, Goldblum, Kohn.
    Viele Hamburger Juden hatten vor dem großen Mord in der Umgebung des Grindelhofs gelebt, in der Nähe standen bis zur Pogromnacht zwei Synagogen. Was konnten die Einträge in Hollers Akten bedeuten? Er musste mit Anne darüber sprechen. Er packte den Ordner unter den Arm. In der Tür seines Dienstzimmers drehte er sich um und starrte auf das Aktenchaos, das vor wenigen Stunden noch der Berg der Schande gewesen war. Er hatte sich aufgetürmt in den vergangenen Jahren, und je höher er wuchs, desto größer wurde Stachelmanns Angst vor ihm. Nun war er zerstört. Einige Ordner lagen noch auf dem Tisch, dem einstigen Sockel des Bergs der Schande, andere auf dem Fußboden, wieder andere auf Stachelmanns Schreibtisch.
    Ein Blatt war auf den Boden gefallen. Stachelmann bückte sich und hob es auf. Es waren handschriftliche Notizen. Er las. Stachelmann, da stand der Name. Er schlug mit der Faust auf den Tisch. Dann lehnte er sich zurück und schloss die Augen. Er nahm die Kopie und steckte sie in seine Tasche.
    Er klingelte an Annes Tür. Es dauerte eine Weile, bis sie geöffnet wurde. Annes Haare waren an einer Seite eingedrückt, sie sah verschlafen aus. »Wo warst du denn die ganze Zeit?«, fragte sie und gähnte.
    »Komm«, sagte er. Er nahm sie am Arm und führte sie ins Wohnzimmer. Sie schaute ihn verwundert an von der Seite. Als sie an der Küchentür vorbeikamen, löste sie sich.
    »Ich hol mal eine Flasche Sprudel.« Er setzte sich im Wohnzimmer aufs Sofa. Sie kam mit dem Mineralwasser und zwei Gläsern. Sie setzte sich neben ihn. Er öffnete den Ordner. »Das ist so was wie Herrmann Hollers Handakte.« Er blätterte. Sie las schweigend. Er sagte, wie er verschiedene Notizen begriff, sie nickte. Sie schob seine Hand weg und blätterte zurück. Bedächtig legte sie Seite um Seite um. Sie las, schloss die Augen, las weiter. Sie deutete auf den Brief des Kantinenleiters. »Der

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