Mann Ohne Makel
Hamburger Polizei!« –, traten er und seine Begleiter ab. Kriminalrat Schmidt warf Taut und seinen Kollegen einen stechenden Blick zu, bevor er die Tür hinter sich schloss. Die Mitarbeiter der Rufbereitschaft 3 blieben im Besprechungsraum sitzen.
»Nun wissen wir endlich, dass wir den Kerl fangen sollen«, sagte Roland Kamm.
Ossi kicherte kurz.
Taut starrte auf die Wand.
Ulrike Kreimeier beschäftigte sich mit einem Fingernagel.
Wolfgang Kurz bohrte mit dem kleinen Finger in der Nase.
»Ja, ja«, sagte Taut. »Das kann man schon verstehen. Der will Präsident bleiben.«
»Ich dachte nur, Polizeipräsidenten sollen die Arbeit der Polizei unterstützen«, sagte Ulrike Kreimeier.
»Na, war das etwa kein Motivationsschub?« Ossi tat empört.
»Ist schon gut«, sagte Taut. »In einem Punkt hat er Recht. Es ist eine Blamage. Da rottet einer eine Familie aus, und wir schauen zu. Wir finden keine Beweise, kein Motiv und haben keinen einzigen Verdächtigen. Seit mehr als zwei Jahren tanzt uns einer auf der Nase herum.«
»Einer?«, fragte Ossi.
»Ich rieche das«, sagte Taut. Immer, wenn Taut etwas roch, hatte es keinen Sinn, ihm zu widersprechen.
Sie gingen die Treppen zum ersten Stock hinunter. In Tauts Büro setzten sie sich zusammen.
»Und wenn es dem Mörder nur um ein Opfer ging und er die anderen umbrachte, um von sich abzulenken?«, fragte Kamm.
»Und wenn es sich um zwei oder drei Täter handelt?«, fragte Ossi. Er ärgerte sich, seine Kollegen verbissen sich in einen Täter.
Taut schüttelte den Kopf.
»Dann weißt du mehr als wir«, sagte Ulrike Kreimeier.
»Ich weiß genauso wenig. Ich weigere mich nur, daraus weit reichende Schlussfolgerungen zu ziehen.«
»Ist schon gut«, sagte Taut. »Aber ich halte die Arbeitshypothese für richtig. Wir müssen uns auf einen Täter konzentrieren. Wenn wir den haben, werden wir sehen, ob er der einzige ist. Okay?«
Nach einer Weile nickten alle. Sie waren überrascht, wie einfach es sein konnte, ihre Arbeit sinnvoll auszurichten. Genauso überraschte es sie, eine Begründung von Taut zu erhalten, eine für seine Verhältnisse ausführliche Erklärung.
»Und die Geschichte vom Serienkiller, der es in Wahrheit nur auf ein Opfer abgesehen hat, macht sich in Krimis ganz gut. Ich habe so etwas noch nicht erlebt und auch nichts davon gehört. Man muss sich das mal vorstellen, Mörder sind Menschen, welchem Stress diese Leute ausgesetzt sind, wie viel Angst sie haben müssen, und wie vielleicht ihr Gewissen sie plagt. Das sind ja in der Regel keine Monster oder Maschinen, wie sie in der Presse dargestellt werden, sondern Leute wie du und ich, die aus irgendeinem Grund aus der Bahn geworfen worden sind. Und wir müssen herausfinden, warum und wo sie aus der Bahn geworfen wurden.«
Diese Äußerungen mitgeschrieben, ein bisschen zugespitzt und an die Boulevardpresse verkauft, es gäbe einen schönen Skandal kurz vor den Wahlen, dachte Ossi. Er stellte sich die Schlagzeilen vor: »Kriminalkommissar – Verständnis für Mörder«, oder: »Liebeserklärung an Hamburgs Killer«, oder: »Hamburger Kripokommissar: Ich liebe euch doch alle«. Aber Taut hatte Recht. Wenn sie Mörder für Monster hielten, würden sie nie einen fangen. Was hatte ihr Phantom wo aus der Bahn geworfen? Was trieb einen, drei Morde in zwei Jahren zu begehen?
»Übrigens, ihr habt das offenbar schon vergessen. Wo ist denn das Profilergutachten? Habt ihr das gelesen?«
Ossi erinnerte sich gut an den Psychologen vom BKA, eine Bohnenstange mit feuerrotem Gesicht. »Ich hab da mal reingeschaut.«
»Ja, und?«, fragte Taut.
»Sag bloß, du fandst das überzeugend?«
»Also, der wusste über einen möglichen Täter heftig mehr als wir.«
»Ach nee«, sagte Ulrike Kreimeier. »Der tickerte doch nicht richtig.«
»Schon mal was von moderner Polizeiarbeit gehört?«, fragte Taut. Er öffnete eine Schublade und zog einen Ordner hervor. Er schlug ihn auf und blätterte. »So, jetzt hört mal zu, ich habe mir da was angestrichen: Der Täter hat es offensichtlich nicht auf die Opfer abgesehen, sondern will das Familienoberhaupt, Maximilian Holler, treffen. Die Systematik, mit der er zwei Familienmitglieder tötete, deutet weniger auf einen Psychopathen hin als auf eine Borderline-Persönlichkeit. Der Mörder ist wahrscheinlich jemand, der mit Holler früher oder auch in jüngerer Vergangenheit Kontakt hatte, eventuell sogar lose mit ihm befreundet war. Er hat ihn vermutlich wegen seiner
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