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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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nicht gut genug. Er schwieg einen Moment und starrte böse auf den Tisch, hinter dem er saß.
    Ossi schaute seinen Nachbarn, Hauptkommissar Werner Taut, kurz an. Der blinzelte mit dem linken Auge. Na klar, in einem halben Jahr sind Bürgerschaftswahlen in der Hansestadt, dachte Ossi. Da wurden die Herren nervös. Der Präsident verdankte seinen Aufstieg dem Innensenator und der seine Ernennung dem Bürgermeister. Zwar war der Innensenator nicht dafür zuständig, Verbrecher zu jagen. Nicht einmal dann, wenn es sich um den geheimnisvollsten Serienmörder der Hamburger Kriminalgeschichte handelte. Aber genauso, wie jeder Justizminister von jeder Opposition als unfähig verurteilt wurde, wenn irgendwo im Land ein Gefängniswärter einen Häftling abhauen ließ, genauso lastete die Öffentlichkeit es dem Innensenator an, wenn da einer seit Jahren frei herumlief, der es sich vorgenommen hatte, die Familie Holler bis zum letzten Glied auszurotten. So tönten die Medien, auch wenn noch nicht einmal erwiesen war, ob die drei Verbrechen denselben Urheber hatten. Es konnte sich genauso gut um Einzeltäter handeln. Der Mord an Frau Holler ähnelte dem an Valentina in keiner Weise.
    Die Morde an den beiden Kindern dagegen glichen sich. Aber das war kein Beweis für die These, es handle sich um einen einzigen Täter.
    Als der Präsident seine Rede beendet hatte, fragte er:
    »Möchte jemand von Ihnen etwas sagen?« Er richtete seinen Blick auf Werner Taut, den Leiter der Rufbereitschaft. Keiner meldete sich. Der Präsident fragte: »Und Sie, Herr Taut, fällt Ihnen gar nichts ein? Was haben Sie getan, um diesen Irren zu ermitteln?«
    »Wir tun alles, was uns möglich ist«, erwiderte Taut. Er hatte eine ruhige, tiefe Stimme. Sie passte zu dem großen, fettleibigen Mann. Er machte einen trägen Eindruck, aber Ossi und seine Kollegen wussten, dass ihr Chef einen schnellen Verstand besaß, den er nur allzu gerne hinter seiner Bedächtigkeit versteckte. Manche hatten Taut unterschätzt, einigen war es nicht bekommen.
    »Und Sie sitzen hier seelenruhig herum, während da draußen womöglich einer seinen nächsten Mord plant oder vielleicht gerade begeht.«
    Ossi musste sich beherrschen, nicht sichtbar zu grinsen. Der Präsident hatte doch nur Angst, dass vor den Wahlen ein weiterer mysteriöser Mord geschah, der den Medien die Gelegenheit bot, Hamburgs Polizei als unfähig zu entlarven.
    »Wir sitzen hier herum, weil wir zu dieser Veranstaltung geladen wurden«, sagte Taut. Er klang fast schon gemütlich.
    Der Präsident schnaubte. »Sie arbeiten seit Jahren an den Holler-Morden, und Sie haben nichts vorzuweisen. Rein gar nichts!«
    »Das ist richtig«, sagte Taut. Er hatte sich einige Sekunden Zeit gelassen, bis er antwortete.
    Der Präsident schaute ihn mit weit geöffneten Augen an. »Dann wissen Sie also wirklich nichts.«
    »Wenn Sie das so sagen wollen.«
    »Und Sie freuen sich jeden Monat auf Ihr Gehalt?« Die Stimme des Präsident zerschnitt die Luft im Raum.
    »Verzichten würde ich ungern darauf. Da bin ich gewiss nicht der Einzige.«
    Der Präsident schloss einen Moment die Augen. Er stand auf und lief zu einem der Fenster, die auf die City Nord zeigten. Er schaute eine Weile hinaus. Dann wendete er sich den Anwesenden zu und sagte mit fast trauriger Stimme: »Was haben Sie bisher ermittelt?«
    Taut fasste zusammen, er klang gelangweilt: »Am 13. April 1999, morgens, fand ein Spaziergänger Ruth Holler tot im Duvenstedter Brook. Eine große Person, wahrscheinlich ein Mann, hat ihren Kopf zu Brei geschlagen. Er muss eine furchtbare Wut gehabt haben.«
    Der Präsident verzog das Gesicht.
    Taut fuhr gleichmütig fort: »Sie ist am späten Nachmittag des 12. April ermordet worden. Der Mörder hat sie auf dem Weg liegen lassen. Anscheinend wollte er, dass sie bald gefunden wurde. Wir haben nichts entdeckt, was auf den Täter hinweist, nicht einmal das Schlagwerkzeug. Die Rechtsmedizin sagt, es sei ein großer Prügel gewesen, vielleicht ein Baseballschläger …«
    »Keine Fußspuren?«, fragte der Präsident.
    »Nein. Es gibt dort viele Fußabdrücke von Joggern oder Spaziergängern, die meisten sind unkenntlich. Da der Täter und das Opfer wohl die Einzigen waren, die diesen Weg benutzt haben in der Zeit zwischen der Tat und dem Auffinden der Leiche, hätte der Täter eigentlich klare Abdrücke hinterlassen müssen. Ruth Hollers Abdrücke konnten wir identifizieren. Aber die Kollegen von der Spurensicherung haben sonst nur

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