Mann Ohne Makel
einfach mal vor, der Mann hat irgendeinen großen Coup im Auge, größer, als wir Irdischen ihn uns vorstellen können. Etwas Wahnsinniges. Und er braucht dazu gute Beziehungen zu wichtigen Leuten und einen fetten Heiligenschein. Und seine Frau steht ihm im Weg. Vielleicht hat er eine andere. Vielleicht kriegt er die nur ohne Kinder. Aber das ist jetzt nicht so wichtig. Was immer sein Plan ist, er muss dazu diese Verbrechen begehen.«
»Alibi«, sagte Ossi.
»Haben wir das überprüft?«, fragte Taut. Er blickte in die Runde. Keiner antwortete. »Muss ich mich um alles kümmern?«, fragte Taut.
»Ich mach es«, sagte Ossi. Er wusste, Taut hasste jede körperliche Bewegung, es sei denn, sie führte ihn in ein Lokal. Er saß wie verschweißt auf seinem Stuhl, bald würde er auch auf ihm schlafen.
»Lass mal besser den Chef beim Bürgermeister antreten«, sagte Kamm.
»Nein«, sagte Taut. »Der Erste Bürgermeister ist auch nur ein Zeuge. Allerdings, Ossi, wäre es sinnvoll, nicht mit der Tür ins Haus zu fallen. Ich fände es gut, der Jesus von der Elbchaussee würde nicht gleich spitzkriegen, welche Spur wir verfolgen.«
Ossi sah Ulrike Kreimeiers Augen strahlen.
Taut wendete sich an sie: »Das ist eine schöne Theorie. Ehrlich gesagt, sie hört sich ein wenig nach Hollywood an. Aber wenn man alles zusammenzählt, kennen wir in der Tat derzeit nur einen Verdächtigen, und der heißt Maximilian Holler, ist der bedeutendste Immobilienmakler Hamburgs, wenn nicht Norddeutschlands, und außerdem der Inbegriff des Guten im Menschen. Liebe Leute, wenn wir diese Sache vermasseln, hat uns der Präsident am Arsch. Und nicht nur der, denn alles, was Rang und Namen hat in dieser Stadt, liebt Maximilian Holler.« Er schaute ernst in die Runde. Dann fragte er Ulrike Kreimeier: »Was schlägst du vor?«
»Vierundzwanzig Stunden beschatten. Seine Konkurrenten befragen. Eine Hausdurchsuchung, natürlich mit seinem Einverständnis, er hat es uns ja geradezu aufgedrängt. Recherchen bei seinen Banken. Die letzten Reisen überprüfen. Volles Programm eben.«
»Und das alles mit unseren paar Leuten?«, fragte Kurz. Er saß steif auf seinem Bürostuhl, selbst im Sitzen überragte er seine Kollegen fast um Kopfesgröße.
Taut wiegte seinen Lockenkopf hin und her. »Vielleicht kriegen wir Verstärkung, wenigstens für die Beschattung.«
»Dann sieh mal zu, dass der Präsident nichts davon mitkriegt«, sagte Ossi.
»Morgen oder spätestens übermorgen sage ich noch was zu meiner Theorie. Oder vielleicht ist es eine ganz andere Variante. Aber das muss ich erst überprüfen«, sagte Ulrike Kreimeier.
»Was soll denn diese Geheimnistuerei?«, fragte Kamm.
»Das ist doch albern.«
»Lass sie«, sagte Taut.
Ossi war froh, als sie fertig waren. Es war mal wieder spät geworden, als sie ihre Diskussion beendet hatten. Es dauerte immer ein bisschen länger bei ihnen. Taut hasste es, den Boss herauszukehren, es wurde weniger angeordnet und mehr erörtert. Die Ergebnisse sprachen für dieses Verfahren, auch wenn es umständlich erschien. Ossi fand, es schmiedete das Team zusammen, sie hatten einen guten Ton gefunden, und jeder strengte sich an, zur Lösung ihrer Fälle beizutragen. Vor allem Ulrike Kreimeier blühte auf. Als sie von der Sitte zur Mordkommission versetzt worden war, erschien sie den Kollegen als graue Maus. Es war lange nichts zu hören von ihr. Vor einem guten Jahr aber hatte sie die entscheidende Idee im Fall Sewtschenko. Schulkinder hatten morgens einen toten Russen mit einem Haufen Geld in einer kleinen Straße am Bahnhof Altona gefunden. Der Fall schien unlösbar, bis Ulrike Kreimeier eine Idee hatte, die die Ermittlungen auf eine neue Spur brachten. Sie führte nicht zur Russenmafia oder in die Unterwelt von St. Pauli, sondern zu einer vornehmen jungen Frau nach Eppendorf, die ihren russischen Freund erschoss, weil er sie verlassen wollte. Seitdem war hin und wieder von »weiblicher Intuition« die Rede, bis Ulrike Kreimeier der Kragen platzte und sie erklärte, die Männer hätten das Denken nicht gepachtet, und wenn ihnen nichts einfiele, dann liege es nicht am biologisch bedingten Mangel an weiblicher Intuition, sondern an der Fantasielosigkeit von Leuten, die besser Briefe stempeln sollten, als Mörder zu jagen. Seitdem war Ruhe. Und Ulrike Kreimeier hatte sich ihren Platz in der Mordkommission erkämpft. Ihr stand eine große Karriere bevor.
Ossi verließ gemeinsam mit ihr das Präsidium. Es war spät
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