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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Fingerabdrücken, die es in Wahrheit nicht gab. Wenn so einer wie Stroh den Mercedes gefahren hätte, dann hätte er nicht nur Fingerabdrücke hinterlassen. Immerhin, sie hatten einen Zeugen für die Tat. Stroh hatte alles gesehen. Es war nur zweifelhaft, ob seine Angaben etwas taugten.
    ***
    Stachelmann hatte bei seinen Eltern angerufen. Seine Mutter kam ans Telefon. Sie war erstaunt, als er sagte, er müsse mit Vater reden über dessen Zeit als Polizist. Aber dann klang sie so, als erkenne sie etwas Unvermeidliches.
    »Heute Abend passt es gut«, sagte sie. Es klang traurig.
    »Du kannst doch jeden Tag kommen, alte Leute hocken doch sowieso die meiste Zeit nur zu Hause herum.« Das galt für Stachelmanns Eltern, aber nicht für alle Rentner und Pensionäre. Viele packte im Alter die Reiselust. Auf der Fahrt nach Reinbek dachte Stachelmann über alte Leute nach, auch um sich von dem abzulenken, was auf ihn zukam. Womit haben die alten Leute den Reichtum verdient? fragte sich Stachelmann. Nie wieder würden Rentner so reich sein. Wenn er in Cafes oder auf Parkbänken Alte sah, so gebrechlich, manchmal Mitleid erregend, dann stellte er sich vor, was sie früher getan haben mochten. Was haben sie im Krieg getrieben? Was haben sie getan, um Sühne zu leisten für die Verbrechen ihrer Generation? Stachelmann war sich sicher, die meisten Alten hatten sich diese Fragen nie gestellt.
    Sie saßen sich am Wohnzimmer gegenüber. Sein Vater erschien ihm wie ein Greis. Er saß nach vorne gebeugt, die Hände auf dem Tisch. Stachelmann überlegte, ob es klug gewesen war, seinem Vater den Grund des Besuchs anzukündigen. Aber wenn er ihn überrascht hätte mit seinen Fragen, wäre der Schock eher stärker gewesen. Sie schwiegen, dann sagte der Vater: »Es ist schon richtig, wir müssen darüber reden. Auch wenn es spät ist. Die meisten von uns können sterben, ohne gefragt worden zu sein. Ich offenbar nicht. Der Preis des hohen Alters.« Er schüttelte den Kopf. »Viele schweigen ja nicht nur aus Scham, sondern weil sie fürchten, dass niemand sie versteht.«
    »Inwiefern?« Stachelmann war froh, etwas zu sagen.
    »Weil heute andere Maßstäbe herrschen. Weil sich niemand mehr vorstellen kann, wie es damals war. Da gibt es Geschichtsbücher und Memoiren aus dieser Zeit. Aber nichts Gedrucktes kann die Angst wiedergeben, die wir hatten, vor den eigenen Leuten, den Feinden und vor den Opfern. Vor dem Ende, vor der Niederlage. Wir haben sie nicht als Befreiung empfunden, sondern als das, was sie war, wenigstens zeitweise. Das Ende aller Hoffnung. Der Untergang. Gehungert haben wir erst nach der Niederlage. Erst hatten wir Angst und was zu essen, dann, nach dem Mai 45, hatten wir Angst und nichts mehr zu essen. Heute im Rückblick weiß man, dem Untergang folgte ein schneller Aufstieg, jedenfalls im Westen. Aber damals hätten wir es nicht geglaubt, wenn es einer vorausgesagt hätte. Die Jahre 44 und 45 waren die schlimmste Zeit meines Lebens. Die sichere Niederlage vor Augen und täglich Angst ums Leben. Gleichzeitig die Gewissheit, an etwas mitzuwirken, was später als Verbrechen verstanden werden würde.«
    »Du warst Postbeamter und dann Polizist?«, fragte Stachelmann. »Ich wusste bisher nicht, dass es so etwas gab.«
    »Ich war in der SA und schon 1933 Hilfspolizist gewesen, beim Reichstagsbrand. Später haben sie sich wieder an mich erinnert und mich dienstverpflichtet.«
    »Du warst also Nazi«, sagte Stachelmann.
    »Ja.«
    »Auch Pg?«
    Der Vater nickte.
    »Und dann hat man dich als SA-Mann von der Post zur Polizei überstellt. Welcher SA-Dienstgrad?«
    »Oberscharführer.« »Und was hast du getan als Polizist?« »Eigentlich nichts Wichtiges. Ich habe Bombenräumkommandos bewacht und solche Sachen.« Seine Stimme war fast tonlos.
    »Das waren KZ-Häftlinge.«
    »Manche kamen aus dem KZ, Neuengamme, andere aus dem Zuchthaus, vor allem aus Fuhlsbüttel.«
    »Und da standest du da mit deinem Gewehr und hast aufgepasst, dass keiner abhaute.«
    »Ich trug eine Pistole, habe die Wachmannschaft kommandiert.«
    »Sind welche abgehauen?«
    »Ja, aber wir haben sie wieder eingefangen. Meistens haben sie versucht, sich in Ruinen oder Kellern zu verstecken. Wir sind ja nicht mitgegangen bis zu den Bomben, die sie entschärfen mussten.«
    »Weil ihr Angst hattet, in die Luft zu fliegen.«
    »Ja. Da gab es Bomben mit Zeitzünder. Oder welche, die aus irgendeinem Grund nicht explodiert waren und leicht hochgingen. Das war

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