Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
Vom Netzwerk:
hinunter. Sie öffnete die Tür einen Spalt und steckte ihren Kopf ins Zimmer. Der Kopf fuhr zurück, Ossi blickte in weit aufgerissene Augen. »O Gott«, sagte Carmen. Dann übergab sie sich.
    ***
    Stachelmann öffnete vorsichtig die Augen. Durch einen Schlitz der Vorhänge fiel ein Lichtstrahl ins Zimmer. Staub schwirrte in der Luft. Das Licht blendete ihn. Er schloss die Augen und spürte die Lähmung. Er fühlte sich, als wäre er nicht er selbst. Er öffnete die Augen wieder und merkte, er sah schlecht. Er hob den Arm, der war schwer und gehorchte ihm nur mit Verzögerung. Die Apathie hatte ihn im Griff. Sie meldete sich mit einigen Monaten Abstand. Wenn der Anfall kam, konnte er nicht klar denken, die Feinmotorik von Fingern, Armen und Beinen war gestört. Die Gelenke fühlten sich an wie Gummi. Der Schmerz war gedämpft wie seine Wahrnehmung. Es würde ein paar Tage dauern, bis er wieder klar sein würde. Er fühlte sich wie eine Schildkröte auf dem Rücken. Die verfluchte Hilflosigkeit. Er würde nachher seine Kraft konzentrieren, am Seminar anrufen und sich krank melden. Grippe, würde er sagen, wie beim letzten Mal.
    Er stand auf und ging ins Wohnzimmer. Er stützte sich an der Wand. Der Anrufbeantworter blinkte. Er drückte auf den Wiedergabeknopf. »Hallo, Josef, Anne hier. Ich kann nicht mitkommen am Montag. Bohming plant einen großen Auftritt beim Historikerkongress und hat mich gebeten, ihm zu helfen. Tut mir Leid. Ich wollte es dir gleich sagen. Gehen wir noch mal essen, bevor du nach Berlin fährst?« Ihre Stimme klang erschöpft.
    Stachelmann setzte sich auf den Sessel und mühte sich zu begreifen, was geschah.
    Dann ging er in die Küche und bereitete sich vorsichtig einen Tee. Er aß ein Toastbrot mit Marmelade und trank ein Glas Orangensaft. Als der Tee fertig war, nahm er einen Becher mit ins Schlafzimmer und stellte ihn auf die Kiste neben dem Bett, auf dem ein Buch lag, mit einem Linienschiff unter vollen Segeln auf dem Einband, »Hornblower in Westindien«. Stachelmann legte sich hin und nahm das Buch. Er versuchte zu lesen. Nach einem Absatz gab er auf. Er verstand nichts von dem, was vor seinen Augen verschwamm. Er schloss die Augen, bald schlief er ein.
    Als er aufwachte, brauchte er einige Sekunden, um sich zu orientieren. Er schaute auf die Uhr. Drei Uhr am Nachmittag. Er musste dringend am Seminar anrufen. Er stand auf und ging ins Wohnzimmer, Knie wie Gummi. Er nahm das tragbare Telefon und wählte die Nummer des Sekretariats. Renate Breuer meldete sich nach dem ersten Klingeln. Stachelmann versuchte seiner Stimme einen festen Klang zu geben: »Ich habe einen Infekt, so etwas wie Grippe. Ich glaube nicht, dass ich diese Woche noch komme.«
    »Sie Armer. Aber es fällt deswegen ja nichts aus. Und dann sind schon Ferien. Ich sage Herrn Professor Bescheid. Gute Besserung.«
    Stachelmann bedankte sich und legte auf. Er rief das Haus Morgenland an, um die Buchung für Anne aufzuheben. Dann nahm er das Telefon mit ins Schlafzimmer und legte sich hin. Er schaute auf die Decke. Er dachte an nichts. Er war nicht gut und nicht schlecht gelaunt. Es war ihm fast gleichgültig, dass Anne nicht mitfahren würde. Es war alles weit weg. Bohming also, dachte er. Er schlief ein.
    ***
    Leopold Kohn öffnete die Tür des Spielzeugwarengeschäfts. Die Tür stieß an Glocken, die hell läuteten. Das Geschäft war leer. Dann erschien ein Mann, klein, fett, die langen roten Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden.
    »Guten Tag, Sie suchen bestimmt etwas für Ihren Enkel.«
    Kohn lächelte: »Ja, ein fernsteuerbares Auto oder so etwas.«
    »Kommen Sie mit«, sagte der Mann. Er führte Kohn in einen Nebenraum. »Wir sind Spezialisten für Modellbau.« In dem Raum stapelten sich Kisten mit Autos, Schiffen und Flugzeugen. Verschiedene Größen, verschiedene Materialien, verschiedene Preise. »Vielleicht interessiert sich der Kleine auch für ein Flugzeug.« Der Mann zeigte in eine Ecke.
    »Nein, ein Auto muss es sein.« Der Verkäufer hob die Achseln. »Wenn es sein muss.« Es klang enttäuscht. »Ich schaue mich ein wenig um«, sagte Kohn. »Rufen Sie mich, wenn Sie etwas gefunden haben oder was wissen wollen. Ich bin nebenan.«
    Kohn betrachtete die Kisten mit den Autos. Er verglich die Funktionen und Reichweiten der Fernbedienungen. Er ging in den Hauptraum zum Verkäufer. Der saß über einem aufgeschlagenen Heft und schrieb etwas. Als er Kohn hörte, blickte er auf.
    »Haben Sie keine leistungsfähigeren

Weitere Kostenlose Bücher