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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Fernbedienungen?«
    »Nein, die gibt es nur als Spezialanfertigungen.«
    »Und die für Flugzeuge?«
    »Sind für Flugzeuge. Außerdem wird die Reichweite am Boden durch Hindernisse deutlich gesenkt. Wenn Sie ein Modellflugzeug am Boden rollen lassen, reicht dessen Fernbedienung auch nicht viel weiter als beim Auto.«
    »Aber es ließe sich eine Fernbedienung bauen mit größerer Reichweite?«
    »Es lässt sich alles bauen. Einen starken Sender kriegen Sie in Elektronikbauläden oder im Versandhandel, bestimmt auch im Internet. Aber wozu braucht Ihr Enkel so was? Das ist ja ein ganz spezielles Kerlchen. Wie alt ist er denn?«
    »Zwölf. Er ist ein helles Köpfchen.«
    »Ja, ja, und dann wachsen sie einem über den Kopf.«
    »Danke erst mal«, sagte Kohn. Er verließ das Geschäft. Kohn ärgerte sich. Er hätte sich nicht auf das Gespräch mit dem Mann einlassen dürfen. Womöglich erinnerte der sich später daran und gab der Polizei einen Hinweis. Kohn hatte bisher keinen Fehler gemacht, es war der erste. Umso größer war sein Zorn auf sich selbst.
    »Vielleicht zwei Jahre noch«, hatte der Arzt gesagt.
    »Wenn Sie sich nicht behandeln lassen. Es gibt bei Prostatakrebs mittlerweile Erfolg versprechende Therapien.«
    Und das war auch schon fast ein Jahr her. Wie lange halte ich durch? fragte sich Kohn. Er stellte sich vor, wie sich die Metastasen von der Prostata aus verteilten im Körper. Er wollte bald sterben. Es war besser, als weiterzuleben.

 XI
    Carmen erbrach sich in der Ecke neben der Tür. Sie hatte ihren Kopf aus dem Türspalt zurückgerissen und Ossi einen Augenblick angestarrt. Ihr Gesicht war weiß. Sie sieht aus wie eine Leiche, dachte Ossi. Dann drehte sie sich weg. Er ging an Carmen vorbei zur Tür und öffnete sie. Sein erster Blick fiel auf den Schreibtisch. Er war überdeckt mit Blut und Hirn. Der Rest eines Kopfes lag auf dem Gesicht, im Hinterkopf klaffte ein großes Loch. Auf dem Fußboden war eine graurote Masse verspritzt. Ein Arm lag auf dem Schreibtisch, er hielt eine Pistole. Ossi fiel der lange Lauf auf. Ein Schalldämpfer. Seit wann erschießt man sich mit Schalldämpfer?
    Er trat zurück in den Flur. Carmen war verschwunden. Ossi wählte auf dem Handy die Nummer des Präsidiums. Er forderte einen Trupp vom Spurensicherungskommissariat und einen Rechtsmediziner an. Auf den Notarzt kann ich verzichten, dachte er.
    Er verließ die Wohnung. Auf der Treppe saß zusammengekrümmt Carmen. Sie hatte ihr Gesicht mit einer Hand bedeckt. Als sie ihn hörte, nahm sie die Hand weg.
    »Entschuldigung«, sagte sie. »Tut mir Leid.«
    »Mir ist auch schlecht«, sagte Ossi. »So was habe ich noch nie gesehen.«
    Er setzte sich neben sie und nahm ihre Hand. »Ein Scheißberuf«, sagte er. Aber er sagte es nur, um etwas zu sagen. Um sie zu trösten. Ihre Hand war kalt. Auf ihrer Stirn sammelten sich Schweißperlen. Ossi holte das Handy aus seiner Jacketttasche und wählte noch einmal die Nummer des Präsidiums. »Winter noch mal. Schickt einen Notarzt. Schnell!«
    »Nein«, sagte sie leise.
    »Doch, markier nicht die Heldin. Du wirst es kaum glauben, auch Polizisten müssen kotzen.«
    Sie saßen schweigend auf der Treppe, er hielt ihre Hand.
    Die Kollegen von der Spurensicherung, der Rechtsmediziner und der Notarzt kamen fast gleichzeitig. Der Notarzt nahm Carmens Puls und maß ihren Blutdruck. Dann gab er ihr eine Spritze. »Um den Kreislauf zu stabilisieren. Soll ich Sie nach Hause bringen?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Es wäre aber besser.«
    »Nein«, sagte sie.
    Sie ging in Enheims Wohnung. Die Tür zum Zimmer mit dem Schreibtisch war offen. Ein Kameralicht war aufgebaut. Vorsichtig betrachtete der Gerichtsarzt den Leichnam. Drei Männer von der Spurensicherung durchsuchten das Zimmer. Sie mühten sich, nicht in die Pfützen aus Blut und Hirn zu treten. Ossi stand im Flur. Carmen ging an ihm vorbei und beobachtete das Geschehen.
    »Suizid?«, fragte sie in das Zimmer hinein.
    Der Rechtsmediziner war ein knochiger großer Mann mit halblangem blondem Haar, das an der Stirn ausdünnte. Er hob seine Arme. »Vielleicht, vielleicht auch nicht.«
    »Wann?«
    »Woher soll ich das jetzt schon wissen?«
    »Ist er schon kalt?«, fragte Carmen.
    Der Rechtsmediziner warf ihr einen erstaunten Blick zu. »Ich schätze mal, heute Vormittag, zwischen elf und zwölf Uhr. Genaueres später.«
    »Danke«, sagte Carmen und lächelte ihn an.
    »Der erste rücksichtsvolle Selbstmörder«, sagte Ossi.
    »Will seine

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