Mann Ohne Makel
Nachbarn nicht erschrecken.«
»Kann sein. Wir fragen mal die Nachbarn. Vielleicht hat trotzdem jemand was mitgekriegt.«
An der Hauseingangstür standen Leute und tuschelten.
»Wer nicht in diesem Haus wohnt, bitte gehen Sie jetzt«, sagte Ossi.
Drei Frauen verließen das Haus. Eine warf Ossi einen bösen Blick zu. Der Mann mit dem Krückstock und die Frau mit den breiten Hüften blieben stehen und schauten Ossi erwartungsvoll an. Der nickte Carmen zu: »Kannst du mit der Dame in ihre Wohnung gehen?« Sie nickte zurück und stieg die Treppe hinunter. Ossi bat den Mann, ihn in seine Wohnung zu führen.
»Gehen Sie bitte voran.« Auf der Wohnungstür war ein kupferfarbenes Schild angebracht: MORTIMER. Der Mann brachte Ossi ins Wohnzimmer. Es war so schmutzig wie vermutlich der Rest der Wohnung. Der Bezug des Sofas, auf das Ossi sich setzte, war früher wahrscheinlich beige gewesen, jetzt war es braun, Fäden waren im Stoff zu erkennen. Bald würden die Polster durchquellen. Kein Bild an der Wand, im Schmutz der Scheiben der beiden Fenster brachen sich Sonnenstrahlen.
»Sie sind Herr Mortimer?«
Der Mann saß auf einem Sessel. Er nickte. »Heinrich Mortimer.« Er zeigte braune Zahnstummel beim Sprechen. Speichel
fäden hingen zwischen Ober- und Unterlippe.
»Seltener Name.«
Der Mann nickte.
»Sie sind Rentner?«
»Ich war im Außendienst. Jetzt beziehe ich eine Pension.«
»In welcher Branche?«
»Versicherungen.«
»Kannten Sie Herrn Enheim.«
»Ist er tot?« »Ja.« »An was ist er gestorben?« »Sie kannten ihn?« »Mehr schlecht als recht. Er war mein Nachbar. Wohnte gegenüber.«
»Hatten Sie Kontakt mit ihm?«
»Wenig. Ab und zu redeten wir übers Wetter oder den HSV. Sonst nichts.«
»Hatte Herr Enheim oft Besuch?«
»Selten. Ab und zu kamen Frauen. Sie wissen schon, was ich meine.«
»Prostituierte?«
Mortimer nickte. »Ich habe hin und wieder eine im Treppenhaus gesehen. Sie sahen jedenfalls aus wie Nutten.«
»Kennen Sie eine der Frauen?«
»Nein.« Mortimer grinste. Er sah so aus, als hätte er »leider« gedacht.
»Und sonstiger Besuch?«
Mortimer überlegte kurz. »Ja, ab und zu kam ein älterer Herr zu ihm.«
»Können Sie ihn beschreiben?«
Mortimer schüttelte den Kopf. »Mittelgroß, vielleicht eins siebzig, auffällig braunes Gesicht, buschige Augenbrauen, weiß.«
»Braunes Gesicht?«
»Ja, als käme er gerade aus dem Urlaub. Oder würde jeden Tag ein Sonnenstudio besuchen.«
»Wie oft haben Sie den Mann gesehen?«
»Einmal.«
»Aber Sie sagten: hin und wieder?«
»Na ja, ich habe durch den Spion geschaut, wenn drüben die Klingel ging.« Sein Tonfall verriet, dass er seine Neugier für normal hielt. »Und dann habe ich diesen Mann von hinten gesehen.«
»Von hinten. Es hätte doch ein anderer sein können?«
»Nein, er hatte immer eine graue Jacke an. Ach ja, er hatte weiße Haare, nicht sehr kurz geschnitten. Am Nacken waren sie lockig.«
Ossi fragte sich, wie oft Mortimer seine Kleidung wechselte. »Wissen Sie, wie der Mann gekommen ist?«
»Mit dem Taxi.«
»Immer?«
»Immer, heute auch.«
»Der Mann war heute bei Enheim?«
»Ja. Am Vormittag. Ich habe das Taxi am Fenster gesehen. Und er hat auch bei Enheim geklingelt.«
»Und er trug wieder diese Jacke?«
Mortimer nickte.
»Aber es ist Sommer. Wer trägt da eine Jacke?«
Mortimer zuckte mit den Achseln. »Ich meine ein Jackett.«
»Haben Sie nach dem Klingeln etwas gehört?«
»Nein. Doch. Die Tür schlug zu, als der Mann ging.«
»Das haben Sie sonst nicht gehört.«
»Wenn ich nicht gerade im Flur stehe, höre ich Enheims Wohnungstür nicht.«
»Standen Sie heute im Flur?«
»Nein, ich war im Wohnzimmer. Habe meinen Gummibaum gegossen, da hörte ich die Tür. Und auch Schritte.«
»Da hatte es einer eilig, hat die Tür zugeschlagen und ist gelaufen.«
Mortimer nickte. »Kann sein.«
Die Frau mit den breiten Hüften hieß Schmidt. Sie hatte wenig gesehen und nichts gehört. Sie erinnerte sich an diverse Damen, die das Haus betraten und in den ersten Stock stiegen. Einmal hatte sie einen älteren Herrn gesehen. Er trug ein graues Jackett. Beschreiben konnte sie den Herrn kaum: mittelgroß, schlankes Gesicht, weiße Haare. Carmen war enttäuscht von ihrer Befragung.
»Das ist gar nicht schlecht«, sagte Ossi. »Man kann ja nicht erwarten, dass einem der Täter frei Haus geliefert wird.«
»Und was ist, wenn die Kollegen von der Spurensicherung keine Spuren finden außer von
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