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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Taxifahrer? Ihr habt einen gefunden? Das sind ja gleich zwei gute Nachrichten. Erstens haben wir einen Zeugen, zweitens sind Kamm und Kurz jetzt frei fürs Handelsregister.« Ossi grinste und legte auf.
    »Sag mal danke«, sagte Ossi.
    »Danke«, sagte Carmen. »Und warum hast du gegrinst?«
    »Weil ich ein fröhlicher Mensch bin.«
    »Das hast du bisher aber gut verborgen.«
    »Ein Polizist muss viele Herausforderungen bestehen. Das wirst du auch noch lernen. Ach ja, sie haben einen Taxifahrer gefunden, der den Typen mit dem Jackett kutschiert hat. Wir fahren ins Präsidium, dann plauschen wir ein wenig mit dem Herrn Ammann.«
    ***
    Die Zeitung lag aufgeschlagen auf dem Küchentisch. Auf der Lokalseite war ein Porträt Enheims abgebildet. Kohn saß auf einem Stuhl und starrte das Gesicht an. Das Gesicht kannte er nicht, aber den Namen. Er stammte aus einer fernen Zeit. »Diese Typen sind schlimmer als Aasgeier«, er hörte die Stimme seines Vaters. Es lag Verzweiflung und Wut darin. Und dann sagte sein Vater: »Und einer der Schlimmsten ist Enheim.« Einer der Schlimmsten ist Enheim, warum hatte sein Vater das gesagt? Sein Vater hasste niemanden, er war ein ängstlicher und höflicher Mann. Kohn wusste nicht oder nicht mehr, was sein Vater damals meinte. Er hätte es auf sich beruhen lassen können.
    Wahrscheinlich hatte Enheim den Tod verdient, ja, einen grausamen Tod, und die Angst, die ihm vorherging. Kohn wurde unruhig. Er zog sein Jackett an, faltete die Zeitung und steckte sie in die Innentasche. Er machte sich auf den Weg zur jüdischen Gemeinde in der Schäferkampsallee. Es gab noch Alte, vielleicht kannten sie diesen Namen. Enheim.
    Auf dem Weg zur Gemeinde fiel ihm Goldblum ein, er hatte ihn lange nicht mehr gesehen. Sie hatten sich nie mit den Vornamen angeredet. Sie nannten sich beim Nachnamen und duzten sich. Goldblum hatte Kohn geholfen, als dieser aus England zurückgekommen war. Er hatte Kohn gezeigt, wie man bei den Finanzbehörden Rückerstattungsanträge stellte, auch wenn nichts herauskam dabei. Er hatte Kohn einen Rechtsanwalt vermittelt, der sich gut auskannte im Dschungel der Wiedergutmachungsgesetze. Wenn einer etwas wusste über Enheim, dann Goldblum. Und wenn er nichts wusste, dann kannte er einen, der etwas wusste.
    Goldblum hatte Kohn eingeweiht in sein Geheimnis. Er hatte in seinem Keller eine Kiste mit Plastiksprengstoff und eine Schachtel mit Zyankali stehen. Der Sprengstoff stammte aus England, Goldblum hatte ihn wie das Gift auf dem Schwarzmarkt gekauft, gleich nach dem Krieg. Auf dem Schwarzmarkt konnte man alles kaufen. Es gab genug Soldaten, die der Verlockung nicht widerstehen konnten. Sie stahlen Armeeeigentum und erzielten phantastische Preise. Ein britischer Soldat bot den Plastiksprengstoff an, Goldblum bezahlte mit einem Brillantencollier, das seiner vergasten Mutter gehört hatte. »Damit kann ich ein paar in die Luft jagen. Es gibt einem ein gutes Gefühl. Wenn ich einen von den Obernazis erwische, die alle nur ihre Pflicht getan haben jubele ich ihm hundert Gramm Knetgummi unter den Arsch. Stell dir vor, Kohn, an Silvester. Das wird eine Freude.«
    Aber Goldblum hatte sich sein Silvesterfeuerwerk dann doch verkniffen. Viele Juden brauchten Psychotabletten, um schlafen zu können. Sie warfen sich vor, überlebt zu haben. Goldblums Psychotablette war der Plastiksprengstoff. Das Wissen, ihn jederzeit verwenden zu können, machte ihn stark.
    Das Gift hatte Goldblum einem Naziführer abgekauft, als der merkte, es ging ihm nicht an den Kragen. Goldblum hatte gehört, Juden hätten versucht, deutsche Kriegsverbrecher in einem Lager in Nürnberg zu vergiften. Sie hatten sich in die Bäckerei eingeschlichen, die das Gefangenenlager versorgte. Aber die Arsendosen waren zu gering, um den einstigen Herren über Tod und Leben mehr einzubringen als das große Kotzen. Der Naziführer war inzwischen ein großes Tier in der Hafenwirtschaft, das Zyankali lag unverbraucht in Goldblums Keller.
    Goldblum hatte Kohn erzählt von Gift und Plastiksprengstoff. Da hatte Kohn sich eines Tages heimlich Goldblums Kellerschlüssel genommen und einen Zweit-Schlüssel anfertigen lassen. Dann ging er in Goldblums Keller und holte sich, was er brauchte. Goldblum hatte es nicht bemerkt oder vielleicht auch nicht merken wollen. Manchmal glaubte Kohn sogar, dass Goldblum ihn aufgefordert hatte, das Zeug im Keller zu benutzen. Nicht direkt, mit Andeutungen.
    Später war der Kontakt mit Goldblum abgerissen.

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