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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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sich herumkommandieren lässt. Die Letzten, die mich aus einer Wohnung hinausgeschmissen haben, waren die Adolfs. Die waren die Letzten.« Er lachte wie eine Ziege. »Komm her, Kohn, setz dich zu mir. Nimm dir einen Stuhl. Du kommst bestimmt nicht, um mich zu unterhalten. So viel Dankbarkeit wäre auch übertrieben.«
    Kohn nahm sich einen Stuhl und setzte sich zu Goldblum.
    »Näher, Kohn«, sagte er.
    Kohn rückte an ihn heran. Er roch den fauligen Atem des Alten.
    »Kennst du einen Enheim?«
    Goldblum lachte. »Ich hab’s in der Zeitung gelesen. Er ist tot, ermordet. Ich hätte einen Freudentanz aufgeführt, hätte ich es gekonnt. Ich hoffe, er hat gelitten, bevor er starb.«
    »Wer war Enheim?«
    »Der Sohn eines Goldfasans. Die Enheims gehörten zu den gefräßigsten Aasgeiern. Der alte Enheim hatte das goldene Parteiabzeichen. Sie haben gerochen, wo es was zu holen gab, und schon kamen sie angeflogen. Ganz legal, alles streng nach dem Gesetz. Sie sind zuerst Leuten auf die Pelle gerückt, die verkaufen mussten, weil sie nach Amerika oder Palästina wollten. Sie haben den kleinen Jidd ausgequetscht.« Kohns krumme Finger deuteten eine Faust an, er konnte die Finger nicht schließen.
    »Haben Verträge gemacht vorm Notar. Und als die Synagogen brannten, da haben sie den Druck erhöht. Sie haben unseren Leuten abgenommen, was wertvoll aussah. Sie haben dafür bezahlt und immer Verträge gemacht. Ich glaube, manche Verträge haben sie zurückdatiert, damit keiner auf die Idee kam, sie wären nicht rechtmäßig zustande gekommen. Es gab tatsächlich Nazis, die haben nicht geglaubt, dass das tausendjährige Reich tausend Jahre halten würde. Deswegen haben sie zurückdatiert. Wenn es ging, vor 1935, vor die Nürnberger Gesetze. Die Enheims waren nicht die Einzigen, die solche Sauereien gemacht haben, aber sie waren fleißige Aasgeier. Und, wie ich gerade gelesen habe in der Zeitung, sie haben wenigstens einen Teil ihres Vermögens gerettet, wurden keine Wiedergutmachungsopfer. Das ist phänomenal. Aber warum fragst du mich das, Kohn?«
    »Mein Vater hat den Namen genannt, damals.«
    »War er auch ein Enheim-Opfer?«
    »Weiß ich nicht. Als die Leute kamen, um uns das Haus und die Möbel wegzunehmen, fiel der Name nicht.«
    »Ach, es gab so viele. Weißt du das eigentlich, die haben die Möbel zum Teil vor dem Haus versteigert an die Volksgenossen, andere Sachen am Hafen. Und manchmal Koffer, die kamen stapelweise aus dem Osten, was drin war, kriegten ausgebombte Arier.«
    »Was meinst du, Goldblum, wer hat Enheim ermordet?«
    »Ein Gerechter«, sagte Goldblum. »Es kann nur ein Gerechter gewesen sein, Kohn. Wer sonst?«

XIII
    Er parkte seinen Golf neben der Einfahrt des Archivs. Dann setzte sich Stachelmann in das italienische Restaurant gegenüber der Pforte. Er bestellte einen Espresso. Er fühlte sich gut in der frischen Kleidung. Er wartete eine halbe Stunde, dann kamen sie. Die beiden Männer von der Hamburger Finanzbehörde passierten die Eingangspforte und gingen die Finckensteinallee in westlicher Richtung hinunter. Als sie verschwunden waren, bezahlte Stachelmann und betrat das Archivgelände. Er setzte sich auf eine Bank und wartete, den Eingang des Benutzersaals im Auge. Er schaltete sein Handy ein. Es piepte. Er hörte die Mobilbox ab, es war Ossi. Stachelmann wählte Ossis Nummer. Ossi fragte nach dem Mann mit den weißen Haaren. Stachelmann erzählte ihm kurz, was er wusste, dann legte er auf. Er lachte, Ossi hatte ihn gefragt, was er gerade mache. Er plane einen Einbruch, hatte Stachelmann geantwortet. Und Ossi hatte ihm wieder nicht geglaubt.
    Er saß länger als eine Stunde auf der Bank. Er hatte Angst, schaute sich manchmal um. Endlich näherte sich ein roter Lieferwagen, mit der Aufschrift Copy Service Reiter. Der Wagen hielt, ein Mann stieg aus und verschwand im Archiv. Stachelmann näherte sich dem Wagen und schrieb die Adresse unter dem Firmennamen ab. Dann verließ er das Gelände, setzte sich in sein Auto und wartete. Als der Lieferwagen auf die Straße einbog, startete Stachelmann den Golf und fuhr dem Lieferwagen hinterher. Er hatte keine Mühe, das Auto im Blick zu behalten. Sie fuhren in gemächlichem Tempo in Richtung Zehlendorf, dort bog der Wagen in eine Seitenstraße ein. Er hielt vor einem Tor mit der Aufschrift Copy Service Reiter. Stachelmann fuhr ein Stück weiter und parkte. Er stand in der Edithstraße. Er hatte Zeit und entschied sich, einen Spaziergang durch Zehlendorf zu

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