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Mann Ohne Makel

Titel: Mann Ohne Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Ditfurth
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Goldblum war immer schweigsamer geworden, verschwand oft in einer anderen Welt, starrte irgendwohin. Kohn hatte noch gehört, Goldblum sei umgezogen.
    Im Sekretariat der jüdischen Gemeinde saß eine Dame. Sie hatte graue Haare und trug eine Brille mit Silberrahmen. Sie schaute Kohn freundlich an.
    »Guten Tag, ich suche Herrn Goldblum, den Vornamen kenne ich leider nicht. Er ist inzwischen alt, so wie ich.«
    »Goldblum ist ja kein häufiger Name, das kriegen wir heraus, wenn er hier gemeldet ist.« Sie ging zu einem Aktenschrank und blätterte in Karteikarten. »Hier ist er schon«, sagte sie. »Jedenfalls haben wir nur einen Herrn namens Goldblum.«
    »Er lebt also noch.«
    »Ja«, sagte die Dame. »Sie verstehen, ich darf Ihnen die Adresse von Herrn Goldblum nicht einfach geben. Sie müssten schon einen sehr handfesten Grund haben.«
    »Er hat mir geholfen, damals, als ich aus England wiederkam.«
    Die Dame schaute ihn an. »Ich glaube, ich kenne Sie. Sie sind Herr Kohn, nicht wahr?«
    Kohn nickte. Er erinnerte sich schwach an eine Frau, die den Rückkehrern Unterkünfte und Familien zugewiesen hatte.
    »Wir haben uns damals auch kennen gelernt. Ich habe mich um die Leute von den Kindertransporten gekümmert. Ich freue mich, Sie wiederzusehen. Schade, dass Sie sich nicht mehr blicken ließen bei uns.«
    »Tut mir Leid«, sagte Kohn.
    »Nein, nein, das soll es nicht. Ich glaube, Herr Goldblum wird es mir nicht übel nehmen, wenn ich Ihnen seine Anschrift gebe.« Sie blickte auf die Karte. »Er wohnt im Altenheim Spätes Glück in Niendorf. Ich fürchte, es geht ihm nicht so gut.« Sie schrieb ihm die Adresse des Altenheims auf. »Vielleicht sollte ich vorher dort anrufen.«
    Kohn nickte.
    Sie nahm den Telefonhörer und wählte eine Nummer. Als jemand abnahm, fragte sie: »Kann ich bitte Herrn Goldblum sprechen? Ach so, das geht nicht. Gut, sagen Sie ihm, dass Herr Kohn ihn besuchen wird. Schön.« Sie legte auf. »Herr Goldblum ist krank, aber Sie können ihn besuchen.«
    Kohn nahm den Zettel, bedankte sich und ging. Das Altenheim lag im Pommernweg. Es waren nur ein paar Stationen mit der U-Bahn bis Niendorf Nord. Auf dem Weg zum U-Bahnhof schimpfte er leise vor sich hin. Der Regen durchnässte seine Jacke, er spürte die Nässe auf der Haut.
    Das Altenheim war früher eine Villa gewesen, Jahrhundertwende. Die Tür war abgeschlossen. Er klingelte. Nach einer Weile öffnete sich die Tür, ein Mann, dick und groß, starrte ihn aus hervorstechenden Pupillen an. »Guten Tag, ich möchte zu Herrn Goldblum«, sagte Kohn.
    »Zimmer 11«, sagte der Mann und zeigte auf die Treppe.
    Kohn trat ein, der Mann schloss die Tür. Kohn stieg über einen verschlissenen Läufer die Stufen hoch. Das Zimmer 11 war im zweiten Stock. An der Wand die Luftaufnahme eines Strands. Das Braun der Türen war an einigen Stellen geplatzt. Aus einem Zimmer drangen Klagelaute auf den Flur. Kohn klopfte an die Tür mit der Nummer 11. Niemand antwortete. Er drückte vorsichtig die Klinke hinunter, öffnete die Tür und spähte durch die Spalte ins Zimmer. Ein Bett, ein Waschbecken, ein Tisch, zwei Stühle in einem trüben Licht, das durch braun angelaufene Fensterscheiben ins Zimmer fiel. Wenn die Sonne scheint, sieht es auch nicht besser aus, dachte Kohn. Er sah Goldblum erst, als er die Tür ganz öffnete. Goldblum saß auf einem Sessel hinter der Tür, in der Hand hielt er einen Stock, als wollte er gleich zuschlagen. Ihm fielen zwei weiße Strähnen von der Stirn ins Gesicht, der Rest war Glatze. Eine Hakennase ragte Kohn entgegen.
    »Was wollen Sie?«, fragte Goldblum.
    »Ich bin Kohn, ich will dich besuchen. Muss mit dir reden.«
    Goldblum schloss die Augen, öffnete sie gleich wieder und sagte: »Nicht dass Sie denken, ich wäre nicht wachsam.« Dann starrte er gegen die Wand. »Kohn«, sagte er.
    »Ich habe ein paar Kohns gekannt. Einige gingen ins Gas. Einer kam aus England zurück. Du bist der aus England. Ich habe dir geholfen. Du glaubst, ich bin ein alter Trottel. Ich bin alt, langsam, aber kein Trottel. Die von der Gemeinde haben mich hierher gelockt, mit Versprechungen, die sie dann nicht gehalten haben. Alles Lügner. Aber ich komme hier wieder raus. Ich habe meine Wohnung nicht gekündigt, obwohl die mir richtig Dampf gemacht haben. Genau haben sie mir vorgerechnet, wie viel Geld ich jeden Monat sparen könnte, wenn ich die Miete nicht mehr zahlen müsste. Aber so weit haben sie mich noch nicht. Ich bin alt, aber kein Trottel, der

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