Manner Lieben
damit sein eigenes Publikum vor den Kopf stößt. Versuchen Sie von mir aus Ihr Glück. Ich gebe Ihnen seine Adresse."
Vor ihm ragte ein Fabrikgebäude in den dunklen Himmel. Eine Fensterreihe im obersten Stockwerk war beleuchtet. Der Künstler bewohnte also ein Loft. Chris stieg die Metallstufen empor. Eine ebenfalls metallene Tür empfing ihn auf der letzten Etage. Chris suchte nach einer Klingel, fand keine und klopfte schließlich mit der Faust an die Tür. Das alles hier erinnerte ihn an den Geldspeicher von Dagobert Duck - fehlten nur die „draußen bleiben!" und „geh weg!" Schilder, die in den Comics
den Weg zum Duckschen Geldspeicher säumten. Chris lauschte.
Als die Tür sich öffnete, geschah es nur einen Spaltbreit. Grüne Augen sahen ihn überaus kritisch an.
„Guten Abend, Mr Marriott", sagte Chris freundlich.
„Was wollen Sie?", fragte der Maler angespannt.
Chris versuchte sein Lächeln beizubehalten. „Mein Name ist Christopher O'Gehry von Art'n live. Ich komme gerade von Ihrer Vernissage und hätte da einige Fragen an Sie."
„Ich habe keine Zeit", erwiderte Marriott und wollte die Tür wieder schließen.
Ohne nachzudenken, stieß Chris hervor: „Was glauben Sie, warum ausgerechnet das Gemälde mit dem Titel ,Koyotenfutter' gestohlen wurde?"
Die Augen des Malers weiteten sich entsetzt. „Gestohlen? Wie konnte das geschehen?"
Chris gab sich betroffen: „Tut mir leid, dass Sie es durch mich erfahren. Ich kann Ihnen gerne sagen was ich weiß, auch wenn das nicht viel ist. Aber ich kann mit Ihnen warten, bis die Polizei eintrifft." Chris lächelte, fühlte jedoch einen Anflug schlechten Gewissens, den Künstler zu belügen, um sich auf diese Art Zugang zu dessen Wohnung zu verschaffen.
Die Nachricht hatte Marriott wie ein Schock getroffen. Er wusste offensichtlich nicht, was er tun sollte, und da Chris der Einzige war, der ihm sofort Fakten zu dem vermeintlichen Diebstahl liefern konnte, öffnete er die Tür, um ihn einzulassen. Chris betrat das Loft und atmete innerlich auf. Er war drin! Nun galt es nur noch, Marriott zur Beantwortung seiner Fragen zu bewegen.
Der Geruch von Ölfarbe lag schwer im Raum. Auf Staffeleien standen Gemälde, die allesamt in düsteren Farben gehalten waren. Ein rotes Sofa thronte mitten im Raum und Chris war überrascht, einen solchen Farbklecks in der Wohnung des Grauin-grau-Malers zu sehen. Im Wohnbereich ließen ein Buchregal neben dem Sofa und eine vermutlich recht teure Musikanlage darauf schließen, dass der Künstler sich durchaus ab und an auch mit anderen Dingen als seiner Malerei beschäftigte. Die Wände waren in Weiß gestrichen, weiter hinten konnte er eine Küche ausmachen.
Chris wartete auf eine Einladung, Marriott in den privaten Teil des Lofts folgen zu dürfen, doch der Künstler schien nicht im Entferntesten daran zu denken.
Chris schätzte den gut aussehenden Mann ungefähr in seinem Alter. Marriott hatte eine schlanke Figur und Chris konnte sich gut vorstellen, dass er zu den Künstlern gehörte, den Freunde ständig ans Essen erinnern mussten, wenn er in seine Arbeiten vertieft war. Sein dunkles Haar war kinnlang. Ein hellgrauer Farbklecks über seinem Ohr ließ darauf schließen, dass er seine Haare schon mal bändigte, indem er sie hinter die Ohrmuschel strich. Die Augen des Malers waren auffallend grün, als hätte die Natur ihm eine ihrer schönsten Farben bereits zu seiner Geburt schenken wollen. Marriott blickte jedoch so bekümmert, dass Chris ganz mulmig wurde. Das schlechte Gewissen gewann einen Moment lang die Überhand.
„Sie haben also gesehen, wie es passiert ist?", fragte Marriott. „Leider nein ... nur ... dass es weg ist", erwiderte Chris stammelnd. „Erzählen Sie mir etwas über das Bild", versuchte er einen Vorstoß. Immerhin würde genau dieses Gemälde über dem Interview abgebildet sein — wenn es denn ein Interview geben würde.
„Ich sollte vielleicht doch lieber selbst mit der Polizei Kontakt aufnehmen", sprach der Künstler mehr zu sich selbst als mit Chris.
Das würde alles andere als einfach werden. Chris biss sich kurz auf die Lippe und sagte dann: „Vielleicht hat man bereits eine Spur und verfolgt diese. Die werden sich ganz sicher noch bei Ihnen melden."
„Ich hätte dort sein müssen", tadelte Marriott nun sich selbst. „Warum waren Sie es nicht?", fragte Chris interessiert.
„Ansammlungen von Menschen sind mir zuwider. Sie verunsichern mich, und daher meide ich sie."
Zumindest
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