Mannerfreie Zone
ich nicht gewollt. Das klingt so, als hätte ich ihm die ganze Zeit hinterhergeheult.
„Roseanne, Tabitha muss mit dir auf der Stelle über Makramee sprechen.“
„Wirklich“, sagt Roseanne, ehrlich schockiert. Ich sehe ihr nach, wie sie davon schwankt.
„Na, wie geht’s dir?“ Ich richte meine Aufmerksamkeit wieder auf Zeke. Es ist deutlich zu sehen, dass seine Freunde fasziniert sind. Und er genießt es ganz offensichtlich.
„Du weißt schon, ich höre mich nach neuer Musik um.“ Iiiih, er mag ja ganz hübsch sein, aber war er schon immer so ein Angeber? „Der Schlagzeuger ist ein Freund von mir.“
„Wie aufregend.“ Ich glaube, das war etwas zu sarkastisch. „Und was hast du so gemacht?“
„Vor allem geschrieben, weißt du, alles andere ist sinnlos.“
„Ach so, dein Buch, stimmt ja.“ Ich warte, dass er mich fragt, wie es mir geht, weil, Sie wissen schon, das tut man einfach so. Aber das tut er nicht. „Und arbeitest du immer noch als Manager?“
„Oh nein, das war einfach zu aufwändig. Ich bin jetzt woanders. Ist nur so ein Nebenjob, in der Buchhaltung. So kann ich den ganzen Tag schreiben, und das muss ich, um ein echter Künstler zu sein.“
„Ein Künstler, ja?“ Er schüttelt den Kopf, offenbar erinnert er sich gerade daran, wie ignorant ich bin, vermutlich tue ich ihm Leid. Aber ich habe schon längst kapiert, dass er nur als Aushilfe in einer Plattenfirma gearbeitet hat und genauso eine Show abgezogen hat, wie ich es immer tue. Das kann ich ihm nicht übel nehmen, dass er sich allerdings als
Künstler
ausgibt schon.
„Nur meine Kunst definiert mich.“ Ich muss lachen, weil, na komm schon, hat er sich mal selbst zugehört?
„Hast du denn schon was verkauft, Zeke?“
„Eve, hier geht es nicht um Geld, aber du kapierst es einfach nicht.“
„Wie auch immer Zeke, mir geht’s gut, danke der Nachfrage. Viel Spaß mit deiner Kunst.“
Als ich wieder an unseren Tisch komme, beschreibe ich unser Gespräch. „Keine Ahnung, vielleicht bin ich ja einfach unterbelichtet,“ sage ich, „aber ich bin der Meinung, dass man nur ein Künstler sein kann, wenn man irgendwie für seine Kunst bezahlt oder anerkannt wird. Es reicht doch nicht, dass man sich immer selbst auf die Schulter klopft. Sonst könnte doch jeder ein Künstler sein. Findet ihr, dass ich zu kritisch bin? Adrian jedenfalls ist der Meinung.“ Ich spüre ein Gefühl von Bitterkeit und merke, wie der Alkohol mich benebelt.
„Gütige Mutter Gottes.“ Tabitha zieht an ihrer Zigarette.
„Eine Kritikerin“, sagt Roseanne und kichert unkontrolliert.
„Eve, wir sind in New York. Hier glaubt jeder, dass er ein Künstler ist. Man muss ja fast schon einer sein.“
„Ist das eine Entschuldigung?“ Ich wende mich an Tabitha, weil Roseanne damit beschäftigt ist, „Kritikerin, Kritikerin“ zu sagen. „Ich finde, man kann nur etwas Bestimmtes sein, wenn man dafür bezahlt wird. Wenn ich bedienen und nebenbei malen würde, würde ich immer sagen, ich bin eine Bedienung, die malt. Und nicht, dass ich Malerin bin. Ich glaube, all diese Künstler sollten der Wahrheit ins Gesicht sehen und erkennen, dass sie keine Künstler sind sondern Versager. Okay, wer bin ich, dass ich wage, so zu reden? Ich will auch Autorin sein, habe aber seit Ewigkeiten nichts mehr geschrieben. Aber zumindest gebe ich es zu. Ich habe keine Ahnung, was mal aus mir wird, hoffentlich mehr als eine Assistentin. Also, was bin ich eigentlich?“
„Mutter Gottes. Genug von diesem deprimierenden Gespräch, ich gehe jetzt zu
Krispy Kreme
. Ich brauche etwas, worauf ich mich verlassen kann.“
„Aber Tabitha“, entgegnet Roseanne, endlich ist sie wieder ernst. „Was sind wir?“
Tabitha schaut uns an und legt uns eine Hand auf den Arm. Sie beugt sich über den Tisch, und wir machen es ihr nach.
„In Ordnung, ich werde es euch sagen, aber danach gehe ich zu
Krispy Kreme
. Wir“, schreit sie, „sind Schwindler.“
Herb bittet mich, das Mittagessen für eine Konferenz am Montag zu organisieren. Sofort stelle ich mir ein Telefonat mit einer lachenden Jennifer Hoya vor, doch Herb versichert mir, dass er bereits ein Konferenzzimmer gebucht hat. Er sagt, ich solle für mehr Leute als sonst bestellen, weil noch Mitarbeiter von
Yoga for Life
dazukommen. Das ist irgendwie merkwürdig. Der Mann erwartet Wunder von mir, aber natürlich sage ich nur, dass ich das schon hinkriege. Dann bekomme ich eine E-Mail von irgendeinem
Yoga for
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