Mannerfreie Zone
Verkäuferin einen ganzen Berg aus Spitze und Schnüren in eine Tasche packt. Ich sehe, dass das Ganze einhundertzwanzig Dollar kostet.
„Hey!“ Ich halte ihr den roten BH unter die Nase. „Den hatten sie nur noch in Rot. Was hast du gekauft?“
„Rot ist viel zu billig, obwohl es diesen Matador-Stier-Effekt haben könnte. Nein, ich habe keine Lust mehr, ihm alles auf dem Silbertablett zu präsentieren!“ Sie schmeißt den BH auf einen Wühltisch und packt ihre Tüte mit dem nicht identifizierten Inhalt.
„Also, was ist da drin?“
„Nur ein paar Unterhosen.“
„Müssen eine Menge Unterhosen sein.“
„Du weißt doch, dass ich es hasse, Wäsche zu waschen. Wir sollten jetzt lieber gehen. Hast du Lust auf eine Agenturparty, bei der Luis heute bedienen muss? Ich weiß, das klingt langweilig, aber ich würde lieber mit jemandem dahin gehen als alleine.“
Wir laufen die Straße entlang, ignorieren die Blicke und Pfiffe der Bauarbeiter, die derzeit den kompletten Times Square eingenommen haben. Tabitha bleibt kurz stehen, um einen Arbeiter anzupflaumen, als er so etwas sagt wie, sie solle doch mal zeigen, was in der Tüte wäre.
„Ich muss damit aufhören, unter der Woche zu trinken. Und außerdem arbeite ich noch immer an der Operation ‚Elternhaus verlassen‘.“
„Ich hoffe, Victor bekommt keinen Herzinfarkt.“
„Tabitha, über den Gesundheitszustand meines Vaters sollte man keine Witze machen. Davon abgesehen, dass Janet eher dazu tendiert, alles zu überdramatisieren.“ Tabitha bildet sich ein, meine Eltern genau zu kennen, dabei weigert sie sich standhaft, eine Einladung anzunehmen, um zu sehen, wie wir leben.
„Hast du dir schon eine Taktik überlegt?“
„Ich werde einfach an ihre Vernunft appellieren.“
„Sie werden damit nicht zurecht kommen.“
„Ich weiß, aber ich werde es zumindest versuchen. Viel Spaß auf der Party.“
„Schade, dass wir nicht die Plätze tauschen können.“
„Genau, wie in diesen ganzen Filmen aus den Achtziger Jahren.“
Tabitha nickt desinteressiert und gibt mir ein Küsschen auf die Wange.
„Ja, Eve, genau so.“
Als wir das Bürogebäude erreichen, steigen wir in verschiedene Fahrstühle.
Ich habe bis kurz vor Roseannes Ankunft damit gewartet, meinen Eltern von ihrem Besuch zu erzählen. Ich weiß, Sie denken jetzt bestimmt, dass das unfair ist, aber glauben Sie mir, meine Eltern funktionieren am besten, wenn man sie unter Druck setzt. Selbst ihre Hochzeit war ein Schnellschuss.
Ich warte noch bis nach dem Abendessen. Das einzig Auffällige an diesem Essen ist, dass meine Mutter immer wieder sagt, wie schön es wäre, dass ich zum Essen zu Hause sei, weil ich ja eigentlich fast nie zu Hause wäre, und ähnliche typisch mütterliche Schuldzuweisungen. Sie haben es gerade erst verkraftet, dass meine Schwester Monica eine ewige Studentin zu werden droht, und nun auch noch das. Ich ringe mit mir selbst, ob ich über die ehrgeizigen Versuche meiner Mutter, nach Cajun-Art zu kochen, ein paar gerührte Tränen vergießen soll. Vielleicht erarbeite ich mir so ja einen Vorteil, und sie werden schneller über das hinwegkommen, was ich ihnen gleich mitteilen will. Janet ist nicht gerade eine gute Köchin, und sie geht auch nicht sonderlich sparsam mit Gewürzen um.
Ich beschließe, dass es am besten ist, einfach direkt damit rauszurücken. Ich bin noch nie eine gute Schauspielerin gewesen. Ich kann ja nicht mal richtig einen Orgasmus vorspielen. (Nicht dass ich das etwa gutheiße!)
Mom stapelt die Teller übereinander. Das macht sie immer mit einer unerhörten Dringlichkeit, sobald wir fertig gegessen haben. Sie hat nicht ein einziges Wort darüber verloren, dass Daddy nicht sein ganzes Hühnchen in schwarzer Soße aufgegessen hat. Das ist ein gutes Zeichen. Dad steckt sich eine Zigarette an. Eigentlich raucht er nur nicht, während er isst. Meine Mutter wartet darauf, dass ich das Geschirr in die Küche bringe, als nutze ich diesen Augenblick.
„Mom, Dad.“ So zumindest geht es immer los bei Serien wie
The Brady Bunch
. „Roseanne möchte eine Weile nach New York kommen. Kann sie bei uns übernachten?“
„Natürlich, Honey. Wir mögen Roseanne. Was macht ihr Job?“ Klar mag meine Mutter Roseanne. Sie ist doch das Paradebeispiel dafür, um wie vieles glücklicher eine Tochter ist, die auf ihre Mutter gehört und das Studium innerhalb von vier Jahren abgeschlossen hat – und auch noch in Betriebswirtschaft!
„Nun, also Mom …“ Ich
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