Mannerfreie Zone
vollständig aus ihrer Kabine heraus. Sie trägt ein schimmerndes graues Kleid. Sie steckt sich das Haar hoch und erneuert ihr Make-up. Ich vergleiche unsere Spiegelbilder. Tabitha ist vielleicht um einiges dicker, aber sie füllt diesen Platz hervorragend aus, während ich noch irgendwie auf der Suche nach einem eigenen Stil bin.
„Du siehst toll aus, wirklich super“, sagt Tabitha, als sie meinen Blick sieht. Sie reicht mir ihren knallroten Lippenstift. „Deine Lippen sind das Schönste an dir, Eve – nun, die Lippen und deine kessen Brüste. Wir müssen gehen.“
Den ganzen Weg bis zur 7. Avenue hüpfe ich geradezu vor Glück.
Die
Fashion Awards
sind irgendwie langweilig. Ich meine, es ist schon cool, von Stuhl zu Stuhl zu hopsen, aber ohne Alkohol und ohne, dass man sich unterhalten kann, ist es doch eher enttäuschend. Das Beste daran ist, dass eine Menge Promis da sind, aber mit denen will man natürlich nicht in Kontakt treten, weil man ja sonst wie ein verblödeter Promijäger wirken würde. Aber es macht Spaß, sie mal ganz in Ruhe zu betrachten.
Die sogenannten „Seat-Filler“ sorgen dafür, dass eine Veranstaltung für die Fernsehzuschauer so wirkt, als ob sie geradezu überfüllt wäre. Die meisten dieser Verleihungen werden nur von Geschäftsleuten besucht, und die paar Promis, die man zu sehen bekommt, bleiben immer nur ganz kurz. Die sind genauso wie wir, sie wollen so schnell wie möglich auf die Party.
Ich weiß, dass ich ein paar Mal im Fernsehen zu sehen bin. Das wird meine Mom freuen.
Die Party findet in einem Club statt, von dem ich noch nie gehört habe. Meine Anwesenheit hält Jaques und Tabitha nicht davon ab, übermäßig zärtlich miteinander zu sein. So wie ich befürchtet habe, ist diese Party eher was für Modehersteller. Hier gibt es ein paar Halbpromis und Models, aber niemanden, der einen wirklich vom Hocker reißt. Ich bin dazu da, Tabitha Gesellschaft zu leisten, sobald Jaques irgendeinem Hersteller in den Hintern kriechen muss, um sicherzustellen, dass nächstes Jahr er einen Award bekommen wird. Der Barkeeper will uns etwas ganz Spezielles mixen, was sich aber schlicht als Wodka mit Preiselbeersaft herausstellt. Wir trinken jeweils drei. Plötzlich beginnt Tabitha fast zu hyperventilieren. Um ehrlich zu sein, benimmt sie sich fast so wie Roseanne bei dem schicksalhaften Brunch. (Für diese Behauptung würde sie mich hassen).
„Was? Was? Was?“ rufe ich, während ich dem Barkeeper zunicke, damit er uns noch mehr Drinks mixt.
„Er ist es, er ist es!“ Ich drehe mich um. Wer könnte das sein? „Es ist Kevin. Komm.“ Sie zieht mich hinter sich her, und ich verschütte meinen neuen Drink. Es handelt sich um jenen Kevin, dessen Buch ihre Bibel ist.
Wir schweben nah an ihn heran. Er unterhält sich mit einer Fernsehschauspielerin. Aber es gelingt ihm nicht, uns zu ignorieren, weil Tabitha in seinen Nacken atmet. Er lächelt uns an.
„Hi“, sagt Tabitha – die ich nie zuvor so erlebt habe. „Ich finde Sie toll. Ich liebe Ihr Buch. Sie sind ein echter Künstler. Oh, Entschuldigung. Ich heiße Tabitha.“
Kevin streckt sehr bescheiden seine Hand aus. „Ich heiße Kevin.“ Wow! Dann wendet er sich mir zu und lächelt warm. Er nimmt meine Hand.
„Eve“, sage ich und wünsche sofort, dass er mein bester Freund wird.
„Hübsche Augenbrauen.“
„Danke“, sage ich, aber nachdem ich kein richtiger Fan von ihm bin, komme ich mir irgendwie dumm vor. Tabitha zerrt mich weg, ich weiß, dass es schwer für sie ist, ruhig zu bleiben.
„Ist er nicht erstaunlich? So nett. Stellt sich vor, als ob wir nicht wüssten, wer er ist.“ Wir seufzen und bestellen noch ein Getränk, um die ganze Großartigkeit Kevins zu feiern.
Irgendwann muss Tabitha sich wieder um Jaques kümmern, und ich beginne mit dem Assistenten eines Herstellers zu sprechen, der mir erklärt, er heiße Moose. Moose redet mit mir, als ob ich fünf wäre. Obwohl er beschlossen hat, selbst hier drinnen eine Sonnenbrille zu tragen, kann ich sehen, dass er meine Brüste anstarrt.
„Bist du zum ersten Mal hier, Eve?“
„Ja, und du?“
„Ich auch.“ Er betont jedes Wort, als ob er Grundschullehrer wäre. Ich finde ihn abstoßend, aber andererseits ist mir langweilig, und es ist ganz nett, ein wenig mit ihm zu spielen. Ich vermute richtig, dass er von Staten Island ist, und ich glaube, er glaubt, dass ich mit ihm nach Hause gehen werde.
„Irgendwie riecht es hier komisch. Weißt du, wo die Toilette
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