Mannerfreie Zone
dass das Gespräch mit Roseannes künftiger Chefin positiv war, sie aber noch keine Entscheidung getroffen hat. Sie will übers Wochenende mit ihrer Familie wegfahren und mir dann am Montag Bescheid geben. Offenbar sind nun nur noch wir und ein anderer Typ im Rennen.
„Gut, Mrs. Yakimoto, ich hoffe, dass Sie die richtige Entscheidung treffen. Wir wünschen uns diese Wohnung wirklich sehr.“
„Glauben Sie mir, das weiß ich. Sie sind ziemlich hartnäckig.“
„Danke“, sage ich, obwohl ich nicht sicher bin, ob das als Kompliment gemeint war. „Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende.“
Die Bar, in die wir gehen, ist natürlich düster und total angesagt. Tabitha und Roseanne haben sich offenbar miteinander abgefunden. Babyschritte, mehr verlange ich ja nicht. Roseanne war super dankbar und Tabitha hat nur abgewinkt, wie ein Profi, der solche kleinen Lügen ständig von sich gibt.
Tabitha hat wie immer dafür gesorgt, dass wir die besten Plätze bekommen, nämlich auf den weichen Sofas in der Ecke nahe beim VIP-Bereich. Dort sitzt sie in ihrem neuen Outfit und raucht eine Dunhill nach der anderen. Es gelingt ihr jedes Mal, dass ein Mann ihr Feuer gibt. Sie bedankt sich herablassend und bleibt distanziert. Ich trage einen von Tabithas Pullovern über schwarzen Hosen, die ich schon zur Arbeit anhatte. Roseanne, die Tag für Tag feststellt, dass sie immer mehr von einer New Yorkerin hat, trägt ein aufreizendes schwarzes Kleid, das ich nicht kenne. Sie hat heute nur ganz wenig Makeup aufgelegt (ehrlich, sie braucht die ganze Farbe nicht) und sieht toll aus.
Ich schnorre eine Zigarette von Tabitha, Roseanne schüttelt den Kopf. Hey, ich bin nur Gelegenheits-Raucherin, und außerdem sieht es so cool aus.
„Können wir da rein?“ fragt Roseanne und deutet auf den VIP-Bereich. Tabitha und ich zucken mit den Achseln.
„Wir müssen erst einmal die Situation abschätzen.“ Übersetzung: Noch ein paar Drinks, dann versuchen wir, uns bei dem Barkeeper einzuschmeicheln.
„Interessant“, sagt Tabitha und blickt über mich hinweg. „Aber schau nicht hin.“
„Wer?“ frage ich, als Roseanne den Kopf herumreißt, womit sie Tabitha wahnsinnig ärgert. Ich zucke zusammen.
„Ein Modedesigner. Wir haben mal einen Artikel über ihn gemacht. Er ist Franzose. Jaques irgendwas. Mist.“ Tabitha hasst es, wenn sie sich an so wichtige Details nicht erinnern kann.
Er läuft an uns vorbei, und dann entsteht eine klassische Tabitha-Situation. Sie bläst den Rauch genau in dem Moment aus, als Jaques irgendwas an ihr vorbeiläuft, und er bekommt ihn voll ins Gesicht. Er schaut Tabitha an, die kokett zu ihm hinauf lächelt und die Schultern zuckt. Dann geht er in das VIP-Zimmer.
„Wow!“ kommentiert Roseanne. Tabitha lächelt nur. Die nächsten Minuten warten wir einfach ab. Es wäre sinnlos, jetzt mit Tabitha zu sprechen. Sie wartet darauf, gleich den Hauptpreis abzuräumen.
Und schon bringt jemand eine Runde Getränke und sagt uns, dass wir ins VIP-Zimmer eingeladen sind. Große Klasse, denke ich. Das Wichtigste ist immer, dass ein Typ, der entweder auf Tabitha oder auf mich steht, auch den anderen die Drinks spendiert.
„Nun, sollen wir da rein?“ Roseanne kann es kaum abwarten.
„Noch nicht.“ Ich lächle Tabitha an. Sie lässt den Franzosen geradezu am ausgestreckten Arm verhungern. Sie trinkt langsamer als wir. Wir trommeln mit den Fingernägeln auf den Tisch, während wir auf sie warten. Sie verlangt, dass wir mit ihr auf die Toilette gehen, wo sie Ewigkeiten braucht, um ihr Make-up aufzufrischen. Endlich unser Einmarsch. Tabitha deutet beiläufig auf den Franzosen und der superschleimige Türsteher lässt uns durch.
Ich erkunde den Raum. Die einzigen Promis hier sind der Franzose und ein Typ, der mir bekannt vorkommt, aus einem Independent-Film oder so. Der Rest sind einfach nur Anzüge, Wirtschaftsmenschen wahrscheinlich, mit ihren langweiligen Freundinnen. Zwischen all diesen Haut-und-Knochen-Mädels, die sich selbst Frauen schimpfen, fällt Tabitha auf. Sie hat die Kunst, Aufmerksamkeit zu erregen, perfektioniert. Wir gehen an die Bar und geben unsere Bestellung auf. Tabitha wendet Jaques die ganze Zeit den Rücken zu. Schließlich kommt er zu uns. Ich finde, man könnte das folgende Gespräch mit etwas Musik unterlegen und an den
Discovery-Channel
verkaufen.
„Ist das deine Freundin?“ fragt er mich, weil ich als Einzige ihn anschaue. Ich nicke. Dann brüllt er über die Musik. „Sag ihr, dass
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