Mannerfreie Zone
„Hallo?“
„Lassen Sie mich raten. Ihr Boss hat gerade beschlossen, ein Meeting einzuberufen, einfach so, weil es ihm in den Sinn kam.“
„Nun“, antworte ich, „so in der Art. Auch wenn ich das offiziell nicht so formulieren würde.“
„Da hatte Ihr Boss die gleiche Idee wie alle anderen.“
„Also, gibt es eine Chance, einen Konferenzraum zu bekommen?“
„Lassen Sie mich mal nachsehen.“ Sie seufzt. Ich höre, wie sie ihren Kalender durchblättert.
„Okay, in der siebenundzwanzigsten Etage ist ein Raum frei.“ Das bedeutet für die Mitarbeiter, dass sie ganz schön rumwandern müssen, denn dieses Stockwerk ist nur durch einen anderen Fahrstuhl zu erreichen, und ich kann mir jetzt schon vorstellen, wie die Redakteure murren werden. Aber schließlich brauche ich einen Raum.
„Schön, das wäre toll.“
„Gut, wie viele sind es?“
„Ungefähr dreißig.“
Sie gibt ein merkwürdiges Geräusch von sich. „In diesem Fall, vergessen Sie’s. In das Zimmer passt gerade mal die Hälfte. Leider gibt es sonst nur noch ein Zimmer für acht Leute.“
„Ja aber ich brauche einen Konferenzraum. Was soll ich denn jetzt machen?“
„Ich kann Ihnen nicht helfen, tut mir Leid.“ Hier handelt es sich offenbar um eine Frau, die die Herausforderungen ihres Lebens nicht erkennen will.
„Hören Sie, ich brauche das Zimmer dringend. Können Sie mich anrufen, wenn doch noch ein Raum frei wird?“
„Natürlich, aber vielleicht sollten Sie darüber nachdenken, die Konferenz in Ihrer Küche abzuhalten.“
„Danke.“ Ein Meeting in einer Küche abzuhalten ist genauso schlimm, wie in der Eingangshalle. Alle sind genervt, weil sie im Stehen essen müssen, und die paar Leute, die einen Sitzplatz ergattert haben, fühlen sich den anderen überlegen. Zwischenzeitlich rufe ich bei dem vegetarischen Restaurant an. Ich lese einfach von einer früheren Rechnung vor, was ich bestellen will. Leider kann der Typ am Telefon kaum Englisch sprechen. Es dauert ewig, bis er die Bestellung aufgenommen hat. Um Viertel nach elf bin ich damit fertig und checke meine Mails. Adam:
Hallo du, ich hoffe, das, was auf der Silvesterparty geschehen ist, verbannt mich nicht aus dem Garten Eden
.
Ich lösche sie.
Von Maggie, eine der Grafikerinnen:
Nach den Feiertagen muss ich eine Menge Arbeit nachholen, könnten wir das nächste Mal rechtzeitiger über solche Treffen informiert werden?
Ich fürchte, Maggie hat ein paar fundamentale Dinge nicht begriffen. Ich bin hier nur der Überbringer der Nachricht, ihre Kritik stößt bei mir auf taube Ohren. Wenn sie wirklich eine Reaktion haben wollte, hätte sie „Allen antworten“ drücken oder eine Kopie an Herb schicken müssen, aber das hat sie sich nicht getraut, sondern nur mir geantwortet. Was soll’s. Ich habe mal gehört, wie Herb sagte, dass die Grafikabteilung neuen Wind braucht. Ihre Tage sind gezählt.
Und von Jim, einem der unangenehmsten Menschen der Welt mit einem der leichtesten Jobs (er ist Chefredakteur, und ich bezweifle, dass er überhaupt Radfahren kann):
Müssen wir wirklich immer bei diesem lächerlichen langweiligen Restaurant bestellen? Können wir nicht einfach eine Pizza oder so was haben? Das ist doch kein Essen, da könnte man auch einen Karton essen. Können Sie zumindest dafür sorgen, dass eines der Gerichte keine Zwiebeln hat?
Ich antworte ihm nicht. Eigentlich habe ich gar keine Lust, den Rest der Antworten zu lesen, aber Gott sei Dank bestätigen die anderen mir nur, dass sie kommen, und manche betonen sogar, wie sehr sie das Essen des vegetarischen Restaurants lieben und wie toll ich bin, dass ich dort bestelle (Tja, Jim.). Ich rufe Jennifer an.
„Hören Sie, Schätzchen, Sie sollten ihrem Chef besser sagen, dass die Konferenz in seinem Büro stattfindet. Das wird ihm gut tun, vielleicht denkt er das nächste Mal früher darüber nach.“
„Sein Büro ist nicht annähernd groß genug.“
„Nun, dann wird er lernen müssen, besser zu planen.“
„Ich bin es, die den Ärger bekommt, wenn ich jetzt alles wieder absagen muss.“
„Sie lassen selbst zu, dass so was passiert. Aber in Zeiten der Telekommunikation sollten sie froh sein, dass sie den Kollegen per E-Mail quasi-anonym absagen und gleichzeitig an ihrer Opferhaltung arbeiten können.“
„Ich wusste gar nicht, dass ich eine Opferhaltung habe, Jennifer. Bitte rufen Sie mich an, wenn Sie doch noch einen Raum finden.“
„Warten Sie nicht bis elf Uhr, bevor sie alles absagen.“
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