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Manöver im Herbst

Manöver im Herbst

Titel: Manöver im Herbst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nichts sagen. Er hielt Amelias Hand fest, zog sie über den Kasernenhof, vorbei am Kantinengebäude, wo einige Unteroffiziersgesichter an den Scheiben klebten, grüßte stramm einen Hauptmann der 3. Kompanie und betrat mit ihr den Vorraum des Kasinos. Dort stießen sie auf Hauptmann Stroy, der gerade gegessen hatte und einen Verdauungsritt unternehmen wollte.
    Er starrte Amelia v. Perritz an, dann seinen neuen Leutnant, der stramm neben der Tür stand und sie wie ein Boy offenhielt.
    »Ehern«, sagte Stroy, zutiefst getroffen. »Einen schönen guten Tag, meine Gnädigste.« Er grüßte steif, bedachte Heinrich Emanuel mit einem giftigen Blick und stürmte hinaus. Vom Raume des Offiziers vom Dienst rief er auf Gut Perritzau an und verlangte dringend den Herrn Baron.
    »Amelia ist hier!« rief er mit zitternder Stimme, als Freiherr v. Perritz sich meldete. »Bei meinem Leutnant!«
    »Ich weiß«, antwortete der Baron ruhig.
    »Begreifen Sie das?!«
    »Nein! Aber wir Männer begreifen die Frauen nie! Am allerwenigsten die eigenen Töchter. Meine Älteste heiratet einen Windbeutel von österreichischen Baron, meine Zweite rennt einem Vollmondgesicht von Leutnant nach. Ich gebe mir keine Mühe, etwas zu begreifen … ich beschäftige mich damit, mich zu wundern.«
    »Ich hatte immer die Hoffnung gehabt, Herr Baron, daß ich –« Hauptmann Stroy kämpfte um seine Stimme. Sie wollte vor Enttäuschung und Zorn brechen.
    »Ich werde Amelia enterben«, sagte Baron v. Perritz ruhig. »Das ist die einzige väterliche Tat, zu der ich mächtig bin. Die moderne Jugend ist nicht in die Vernunft einzugliedern. Mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts scheint die Logik gestorben zu sein. Finden wir uns damit ab.«
    »Ich bin maßlos enttäuscht!« schrie Hauptmann Stroy.
    »Wenn es weiter nichts ist … Am Horizont stehen dunklere Wolken als eine weggeschwommene Mitgift …«
    Konsterniert, voll Haß gegen seinen Leutnant, hängte Hauptmann Stroy ein. Er begab sich direkten Weges zu seinem Regimentskommandeur Oberst v. Fehrenberg, um den Antrag zu stellen, den Leutnant Schütze wegen Mangels an Kameradschaft zur Versetzung zu melden.
    Mit dem letzten Zug waren Heinrich Emanuel und Amelia dann nach Breslau gefahren. Sie hatten sich ausgesprochen. »Und wenn ich Pellkartoffeln essen muß -- ich bleibe bei dir«, hatte Amelia gesagt. »Ich hasse diesen Hochmut! Nur, weil du kein Adeliger bist … Ich werde es Vater zeigen, daß ich eine Perritz bin. Wir beißen uns durch, nicht wahr, Heinrich.«
    »Wenn wir was zu beißen haben …«
    »Mutti wird uns heimlich etwas schicken.«
    Heinrich Emanuel nickte ergeben. Sie saßen im Wartesaal des Bahnhofs von Schweidnitz und tranken einen Mokka.
    »Ich nehme dich erst einmal mit zu meinen Eltern«, sagte er. Dann seufzte er und starrte in seinen Kaffee. »Meine Karriere fängt ja gut an –«
    »Böse?« Sie legte ihre kleine, schmale Hand auf seinen Handrücken und drückte ihn leicht. »Wenn du mich so lieb hast wie ich dich –«
    »Ich habe es, Amelia …«
    »– Dann wird alles gut. Wir sind ja noch so jung …«
    »Bei Gott, das sind wir.« Er wandte sich plötzlich Amelia zu und sah sie aus seinen großen Kinderaugen an. »Warum liebst du mich eigentlich?«
    »Wie … wie meinst du das?« fragte sie verwirrt.
    »Ich habe mich gestern im Spiegel betrachtet. An mir ist nichts dran. Ich bin nicht hübsch, ich bin nicht das, was man ›männlich‹ nennt. Ich bin nicht elegant, ich habe kein Geld, keinen Adel, ich kann kaum tanzen, ich bin langweilig, rechthaberisch, untertan, ich bin ein absoluter Durchschnitt – und du, gerade du liebst mich. Warum bloß?«
    »Weil du so bist – wie du bist. Und weil ich weiß, daß wir glücklich miteinander werden. Mehr wollen wir doch nicht vom Leben …«
    »Wenn man dich so hört, glaubt man, du seist zwanzig Jahre älter.«
    Sie nickte und streichelte ihm lächelnd über das Gesicht. »Vielleicht ist es das, Heinrich … Eine Frau muß immer eine Stunde im Leben vorausdenken …«
    Es war also später Abend, als Leutnant Schütze an der elterlichen Tür klingelte. Franz Schütze machte die Tür auf. Als er im Dämmerschein der Treppenbeleuchtung die Leutnantsachselstücke sah, breitete er die Arme aus. »Mein Junge!« rief er. Und zurück in die Wohnung: »Mutter, unser Junge ist da! Unser Leutnant!«
    Er ergriff Heinrich Emanuels Hand und zog ihn in die Diele der Wohnung. Aus dem Wohnzimmer kam Sophie Schütze gelaufen. Sie weinte wieder. Mütter

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