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Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
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schrocken herum und landete hart auf dem Dielenboden. »Kommst du bitte und hilfst mir?«, wiederholte ihre Ta n te. Anna folgte ihr.
    Im Korridor kamen ihnen Gäste entgegen, die gerade das Gebäude verließen. Daniel, der Koch, stand an der Spüle und wusch die letzten Pfannen vom Frühstück ab.
    »Ist das das Haus, wo Ryan und sein Onkel leben?«, fragte Anna. »Das dort drüben am Seeufer?«
    »Ja, das ist Lakebank«, antwortete Monica. »Es ist ein altes Herrenhaus. Hier, nimm das mal. Ich werde vers u chen, den Wasserkessel zu reparieren.«
    »Ein Herrenhaus?«, staunte Anna, als sie ihr die B ü gelwäsche abnahm. Monica untersuchte die über den Tisch verstreuten elektrischen Bestandteile des Kessels. »Kennst du sie gut?«
    »Niemand kennt sie gut. Sie bleiben unter sich. A n geblich gehören sie dem Landadel an.«
    »Ist das wahr?«
    »Offenbar. Mr. Field ist, glaube ich, so eine Art Ei n siedler. Warum sollte er sonst auch in so einem großen Haus mit drei Meter hohen Toren und all dem leben? Ich spreche jedoch manchmal mit Ryan, wenn er hier vo r beikommt. Er ist ein höflicher Junge. Sein Onkel erzieht ihn sehr streng.«
    »Er scheint ein seltsamer Mann zu sein.«
    »Er ist ein Eigenbrötler, aber sonst gibt es nichts g e gen ihn zu sagen.«
    Daniel hängte seine Schürze auf und nahm seine W a genschlüssel von der Anrichte. »Sie werden ihn nie rep a rieren können«, sagte er zu Monica, während er sich über ihre Schulter beugte, um den Wasserkessel in Auge n schein zu nehmen. »Sie hätten ihn nicht selbst zerlegen sollen. Kaufen Sie besser einen neuen, wenn ich Ihnen einen Rat geben darf. Ich fahre jetzt nach Lowcastle; in ein paar Stunden bin ich zurück.« Er drehte sich um und verließ die Küche. Monica strich sich die Haare aus dem Gesicht und sah ihm finster nach. Sie hatte dieselben blonden Locken wie Annas Mutter; und sie fingen nun das Licht ein, als sie ungeduldig den Kopf schüttelte.
    »Worüber haben wir gerade gesprochen?«, fragte sie. »Ach ja, über Mr. Field. Es gibt nicht viel mehr über ihn zu erzählen. Es heißt, dass er hier schon seit fünfzehn oder zwanzig Jahren lebt, und trotzdem kennt ihn ni e mand.«
    Während ich lief, erzählte mir Die Stimme eine ve r schwommene, bruchstückhafte Geschichte, die kaum wahr sein konnte. Vielleicht wünschte ich mir so ve r zweifelt, irgendwo anders zu sein, dass mein Gehirn sich diese Dinge ausgedacht hatte – den Prinzen; das Mä d chen, das unsere englische Verwandte war; Aldebaran, der auf der Türschwelle eines Fremden aufgetaucht war. Nach einer Weile wurde ich zu müde. Alles, was ich jetzt noch sehen konnte, war das, was vor mir lag: das Sump f land und dann die menschenleeren Berge, über die der Wind fegte. Es herrschte eine solch trostlose Leere, dass mir beim Gehen die Tränen in die Augen traten und ich an Stirling dachte, weil ich nicht mehr die Kraft hatte, mich dagegen zu wehren. Aber ich ging weiter.
     
    Schließlich wurde es so dunkel, dass ich anhalten musste. Ich konnte zwar die Lichter von Kalitzstad sehen, aber ich konnte nicht erkennen, wohin ich meine Füße setzte. Ich stolperte und fiel hin. Danach stand ich nicht mehr auf. Mit dem Kopf auf einem Stein lag ich einfach nur da und wart e te auf den Sonnenaufgang. Ich verstand nicht, warum ich die Stadt noch nicht erreicht hatte, aber sie war noch immer mehrere Kilometer entfernt, und ich konnte nicht mehr we i ter.
    Nachts war es gespenstisch in den Bergen. Ich hörte langsame Schritte im Gras, die erst näher kamen und sich dann wieder entfernten. Jemand atmete. Die Dunkelheit drängte sich an mich heran, und ich sah etwas in ihr fu n keln. Vielleicht beobachtete mich jemand und wartete ab, bis ich die Augen geschlossen hatte, bevor er sich hera n pirschen würde. Nur, dass ich mir nicht ganz sicher war, ob es real war oder ob ich mir das alles nur einbildete oder ob ich bereits träumte.
    So ist es jetzt also die ganze Zeit über für dich, Sti r ling, dachte ich. Allein in der Dunkelheit, mit niema n dem als den Toten zur Gesellschaft. Ich konnte den G e danken nicht ertr ag en. »Stirling ist nun im Himmel«, sa g te Die Stimme, die plötzlich wie Großmutter oder Pater Dunstan klang. »Schlaf jetzt.« Ich schloss die Augen.
    Ich lauschte den Schritten und stellte mir vor, dass es Die Stimme wäre, die im Schutz der Dunkelheit, wo ich sie nicht sehen konnte, Gestalt angenommen hätte und nun wie ein Schutzengel um mich herumschlich. Wä h rend ich mich dem

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