Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia
Erleucht e ten.«
»Zwischen den Welten?«
Sie standen vor dem Tor des Herrenhauses. Das G e bäude war dunkel, mit Ausnahme eines Fensters im zwe i ten Stock. Sie gingen nicht hinein, sondern blieben auf der einsamen nächtlichen Straße stehen.
»Hast du je von Malonia gehört?«, fragte Ryan. »Kommt dir der Name bekannt vor? Manche Leute hier in England glauben, ihn irgendwann schon mal gehört zu haben.«
Anna schüttelte den Kopf. »Ich dachte, mein Großv a ter wäre Australier gewesen. Ich hab noch nie von dem Land gehört.«
»Es ist seltsam für mich, dich das sagen zu hören. Manchmal, wenn ich in diesem fremden Land aufwache, fällt es mir schwer zu glauben, dass ich schon seit zehn Jahren hier lebe. Da, wo ich herkomme, gibt es Gerüchte über England. Einige Forscher behaupten, dort gewesen zu sein. Wenn Menschen vermisst und für tot gehalten werden, verbreitet sich die Legende, dass sie gar nicht gestorben, sondern durch Zufall oder ein Versehen nach England hinübergegangen sind. Und über die Erleucht e ten sagt man ebenfalls, dass sie dort hingehen können. Darüber gibt es unzählige Geschichten. Es ist ein Mä r chenland, und die meisten von uns verbringen ihr Leben, ohne viel darüber nachzudenken. Es ist kein Teil der re a len Welt. Als kleiner Junge habe ich nicht geglaubt, dass es existiert.«
»Ist dein Land denn wirklich so weit weg?«, fragte Anna.
Er öffnete das Tor, und sie folgte ihm hindurch. »Ich werde versuchen, es dir zu erklären.«
Aber als sie schließlich am Haus ankamen, war sie sich immer noch nicht sicher, ob sie es verstanden hatte.
Sie gingen durch die Seitentür hinein. Ryan machte das Licht erst an, als sie in der alten Bibliothek waren und die Tür hinter sich geschlossen hatten.
»Wir müssen leise reden, sonst wird uns mein Onkel hören«, flüsterte er.
Anna legte das Foto von ihrem Großvater auf den Tisch un d d aneben die Kette. »Hier«, sagte sie. »Schau sie dir an. Sieht das für dich nach einem wertvollen Schmuc k stück aus? Diese Steine sind doch nur aus Glas.«
Ryan nahm nun seine eigene Halskette ab und legte sie neben die andere. An seiner hing ein einzelner Edelstein – ein blauer. Und er war identisch mit dem größten an A n nas Kette. Es war der fehlende Stein – das rechte A u ge des Vogels.
Anna sah ihn sprachlos an. Ryan legte die Hand an die Stirn, auch er war verblüfft. »Es sind dieselben«, sagte er. »Für dich sehen sie vielleicht wie Glas aus, aber in meinem Land sind das kostbare Juwelen.«
»Hör jetzt auf, Ryan«, sagte sie plötzlich. Auf dem Tisch bewegten sich die Halsketten aufeinander zu.
Er hob die Hände. »Ich berühre sie nicht. Ich habe es dir gesagt, Anna. Schon bevor wir geboren wurden, hat eine Verbindung zwischen ihnen bestanden. Sie verfügen über große Kräfte.«
»Sie müssen magnetisch sein.« Ihr Herz schlug immer schneller.
»Die Ketten sind aus Gold.«
In diesem Moment hörten sie Schritte auf dem Flur. »Ryan, bist du da drin?«, rief Arthur Field.
Sie drehten sich beide um.
Aldebaran öffnete den Mund, aber es kamen keine Worte. Dort auf dem Tisch lag der Silberadler. Daneben das Bild seines verstorbenen Bruders.
»Der Mann auf dem Foto ist Annas Großvater«, e r klärte Ryan. »Und das ist die Halskette, die ihre Gro ß mutter am Greysands Beach gefunden hat.«
Es herrschte vollkommene Stille. Dann näherte sich Aldebaran dem Tisch. »Natürlich würde die Kette zu e i nem Verwandten von Harold kommen«, murmelte er. »Natürlich. Diese Dinge gehorchen ihren eigenen R e geln.«
Er griff nach der Halskette und drehte sie um, dann sah er Anna an. Und plötzlich verdüsterte sich sein G e sicht. »Ryan, du hättest es mir erzählen sollen. Du hättest die Kette nicht hierherbringen dürfen.«
»Onkel, ich dachte …«
Aldebaran sah sich um, dann sprach er so leise weiter, als ob er belauscht würde. »Lieber Himmel, Ryan! Du weißt doch, dass dieses Haus beobachtet wird.«
Am Rande des Lakebank-Anwesens stand eine halb ve r fallene Kapelle. Dort saßen sie nun um eine alte Arme e sturmlaterne herum – Anna, der Prinz und Aldebaran. Die Halskette lag in Annas Hand, aber Aldebaran ließ sie nicht aus den Augen.
»Ich werde versuchen, es dir zu erklären«, sagte er g e rade. »Du bist meine Großnichte, und das Ganze betrifft auch dich, deshalb sollte ich dir die Prophezeiung, die ich aufgeschrieben habe, erläutern. Und auch, wie ich die Welten sehe, die nebeneinander
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