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Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
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so dumm sein …«
    »Wir müssen sie mitnehmen«, meldete sich jetzt der junge Mann zu Wort. »Sie wird zu Aldebaran gehen, wenn wir sie hierlassen. Wir sollten jetzt zurückkehren, Sir, solange Talitha uns wieder nach drüben schleusen kann. Mir gefällt dieser Ort nicht, und Sie hätten den Jungen nicht verletzen dürfen.«
    »Dann geh«, sagte Ahira und kehrte ihm den Rücken zu. »Darius, nimm das Mädchen mit.«
    Der Mann hielt Anna noch immer am Handgelenk fest. Er justierte etwas an seiner Pistole und hielt sie A n na dann an die Schläfe. »Sag kein Wort. Geh zügig. Sieh nicht zurück.«
     
    Aldebaran tauchte wieder aus seinen Gedanken auf. »Ry an?« Es erklang keine Antwort. Er stand vom Schreibtisch auf und ging zur Tür. »Ryan, komm hie r her!«, rief er nun lauter.
    Er machte sich plötzlich große Sorgen. Er lief durch das Haus und rief den Namen seines Schützlings, dann nahm er seine Schlüssel, hetzte die Straße hinunter und weiter durch den Wald in Richtung der Wasserfälle.
    Als Aldebaran die Stelle erreichte, wo Ryan auf der Erde lag, war Ahira fort, und die anderen waren in der verfallenen Kapelle, um England so schnell wie möglich zu verlassen.
     
    Als ich wieder in die Zitadellstraße einbog, fuhr gerade eine von Soldaten flankierte Kutsche vorbei. Die Pferde kämpften sich mühsam durch die Bäche von Schlamm. Ich blieb gut sichtbar für die Soldaten stehen, ve r schränkte die Arme und sah zu, wie sie an mir vorbeiz o gen.
    Jemand schlug in der Kutsche um sich. Ich ging näher an sie heran und sah, wer darin saß – Ahira höchstpe r sönlich, zusammen mit zwei anderen Soldaten. Einen von ihnen glaubte ich zu erkennen – es war ein Mann, der einen hohen Rang in der Regierung innehatte und Darius genannt wurde. Und eine Gefangene. Ein Mä d chen, das gefesselt und geknebelt war. Sie kämpfte sich näher an das Fenster heran. Für eine Sekunde trafen sich unsere Blicke – und ich erkannte sie!
    Ich hatte das Buch weggeworfen; ich hatte versucht, die Träume aus meiner Erinnerung zu verbannen. Und kaum hatte ich die Geschichte aufgegeben, kam ich nun heim und fand Anna hier in der realen Welt vor – ein Mädchen aus Fleisch und Blut, das man als Luciens G e fangene gerade zur Burg brachte. Ich trat an die Kutsche heran, sobald sie an der Stelle der Zitadellstraße anhielt, von wo aus Kutschen nicht mehr weiterfahren konnten. Plötzlich waren Soldaten vor mir und stießen mich z u rück, sodass ich nichts mehr sehen konnte.
    »Was machst du hier?«, fragte einer. »Du solltest zu Hause sein.« Ich wollte mich an ihnen vorbeidrängen, aber es ging nicht. Ahira und die beiden anderen waren inzwischen auf Pferde umgestiegen – das Mädchen lag, an Händen und Füßen gefesselt, wie ein Bündel über Ahiras Sattel –, und einen Moment später war nichts mehr von ihnen zu sehen.
    »Wo wohnst du?«, fragte der Soldat gerade und ve r setzte mir einen groben Stoß. Ich deutete auf unser Haus, und er ließ von mir ab. »Wir werden dich im Auge beha l ten. Und pass auf, dass du sicher dort ankommst.«
    Großmutter war allein in der Wohnung, und das Feuer brannte. »Komm rein und zieh diesen nassen Mantel aus«, sagte sie fröhlich, obwohl auf ihren Wangen ein paar frische Tränen schimmerten. Ich bewegte mich wie im Traum, ging zum Fenster und lehnte mich weit hi n aus. Ich konnte die Pferde sehen, die sich langsam den Bur g felsen hinaufbewegten. War Stirlings Tod schuld daran, dass ich den Verstand verloren hatte? Ich konnte dieses Mädchen nicht gesehen haben – es war unmö g lich!
    Aber ein paar Minuten später dachte ich bereits nicht mehr daran. Ich dachte wieder an Stirling, und Großmu t ter weinte hinter vors Gesicht gelegten Händen. Einer von uns musste das Abendessen aus der Küche holen, aber keiner hatte die Kraft. Und gleichgültig, ob sie nun real war oder nicht, es gab im Moment nichts, was mich weniger interessierte als dieses Mädchen.
     
    »Wenn ihr mich fragt, wir hätten Aldebaran erschießen sollen«, sagte Darius, als sie Anna durch die Burg füh r ten. »Der Junge ist nichts ohne ihn.«
    »Niemand hat dich gefragt«, erwiderte Ahira knapp.
    »Man kann keinen Erleuchteten erschießen«, sagte der junge Mann.
    »Warum nicht?«
    »Man kann es einfach nicht. Es ist, als ob man einen Priester erschießt.«
    »Ich würde auch einen Priester töten, wenn er mir im Weg wäre«, behauptete Darius grinsend.
    »Und dafür in der Hölle schmoren«, prophezeite Ahira düster.

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