Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
Vom Netzwerk:
Großmutter und Stirling – verbracht zu haben.
    »Du willst das hier nicht hören«, wiederholte sie schluchzend.
    Mit großer Anstrengung schrieb ich: Doch!!!
    »Kann ich dir alles anvertrauen? Es macht dir nichts aus? Weißt du, ich habe manchmal das Gefühl, dass ich verrückt werde, wenn ich es niemandem erzählen kann.«
    Ich nickte, um sie aufzufordern weiterzusprechen. Ich wünschte, sie würde über sich reden statt über mich. Ich glaube, sie hat es mir angemerkt.
    »Es ist nur …« Sie holte tief Luft. »Ich werde vers u chen, es zu erklären. Ich schäme mich so, Leo.« Sie schnappte nach Luft. »Ich hatte früher ein so schönes Leben. Ich musste mir wegen nichts Sorgen machen. Ich hatte ein Pony, wohnte in einem hübschen Haus, und meine Eltern waren immer glücklich. Ich war ein völlig anderer Mensch. Damals habe ich Häuser wie das hier angesehen und gedacht, dass die Menschen, die in ihnen leben, gar nicht real sind. Ich hab dir doch schon mal e r zählt, dass wir früher reich waren.« Ich nickte. »Aber ich glaube, dass ich dabei so getan habe, als ob es schon sehr lange her wäre.« Sie schüttelte den Kopf. »Weißt du, wenn man ein schönes Leben hat, denkt man, dass es für immer so sein wird. Und ich war nicht nur reich, ich war glücklich. Aber inzwischen habe ich erkannt, dass das Glück nie lange anhält. Irgendetwas zerstört es immer.« Sie wischte sich mit der Handfläche die Tränen vom G e sicht, aber es kamen ständig neue. »Mir geht ’ s so weit gut – mein Leben ist gar nicht so schlecht. Ich weiß jetzt, dass Glück nicht das Einzige ist, das zählt. Dass es and e re Dinge gibt, fü r d ie es sich zu leben lohnt. Es muss sie geben – wie sollte man es sonst ertragen?«
    In dem Moment wurde ihr klar, dass sie nicht nur über sich selbst sprach. Sie schaute mich kurz prüfend an, b e vor sie fortfuhr.
    »Ich weiß das, aber trotzdem wünsche ich mir manchmal, dass alles wieder so leicht wäre wie früher. Ich bin auf Bälle und zu Festen gegangen, wo ich alle möglichen reichen und berühmten Leute getroffen habe. Ich lernte junge Männer kennen und flirtete mit ihnen, während mein Vater gleichzeitig irgendwie beschämt und stolz aussah, und ich träumte davon, einen reichen Mann zu heiraten. Die einzigen Sorgen, die ich damals hatte, drehten sich darum, was ich anziehen sollte oder ob ich mich daran erinnern würde zu knicksen. Heute habe ich ganz andere Sorgen. Ich weiß, dass es meine eigene Schuld ist, aber … Kann ich dir von Anselms Vater e r zählen?«
    Ich nickte.
    »Ich lernte ihn auf einem Ball in seinem Haus kennen. Wir haben getanzt. Ich war vierzehn und ein so dummes, leichtsinniges Mädchen – ich dachte damals über gar nichts nach, und deshalb überlegte ich weder, wer er war, noch, ob ich ihn mochte. Ich tanzte einfach gern. Als er mich dann aus dem Ballsaal führte, glaubte ich, dass wir auf den Balkon hinausgehen würden. Ich folgte ihm, weil es mir gefiel, wie er mich ansah, so als ob er wirklich in mich verliebt sei, und weil es mir gefiel, wie die anderen hinter vorgehaltener Hand über uns tuschelten. Er führte mich immer weiter weg von den anderen Gästen, und mir war klar, warum – natürlich war es das. Es muss mir klar gewesen sein.« Sie starrte unverwandt auf ihre Hand in meiner. Sie zitterten beide, aber ich wusste nicht, welche damit angefangen hatte. »Ich schätze, dass ich mir einr e dete, nicht zu wissen, was er vorhatte. Er brachte mich in sein Schlafzimmer. Ich hätte wegrennen sollen, aber ich traute mich nicht, weil e r s o einflussreich war. Ein wic h tiger Mann in der Regierung, und mein Vater hatte i m mer gesagt, dass man sich vor denen in Acht nehmen müsse. Außerdem dachte ich, dass ich vielleicht in ihn verliebt sei. Ich war ein ziemlich wildes Mädchen. Mich hatten schon mehrere Jungen gefragt, ob ich sie heiraten würde, und bei ein paar von ihnen war ich kurz davor gewesen, ja zu sagen. Aber es ist anders mit Jungen, die so alt sind wie wir.«
    Sie zitterte genauso schlimm wie ich. »Oh, Leo, es war ein so schrecklicher Fehler. Manchmal meine ich zu fallen, und dann stelle ich mir vor, ich wäre weggerannt, aber das bin ich nicht. Sobald er die Tür abgesperrt hatte, wusste ich, dass es ein schrecklicher Fehler war. Ich hatte zu viel Angst, um etwas zu sagen, und dann war es zu spät – er hörte mir nicht mehr zu, als ich es endlich tat. Und jetzt bin ich hier gestrandet.
    Ich habe immer Angst gehabt, dass mein Vater an

Weitere Kostenlose Bücher