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Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
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hatte die Zeitung vor sich liegen, und er beu g te nun den Kopf und versuchte, die Schlagzeile zu entzi f fern. Nach einer Weile gab er auf und faltete sie zusa m men. »Ich hab Maria noch mal getroffen«, sagte er und sah hoch. »Ich hab ihr geholfen, ein paar von ihren Ki s ten in die Wohnung zu tragen.«
    »Ach ja?« Ich sah ihn an.
    »Sie ist wie eine Prinzessin«, sagte er. Ich nickte. »Aber trotzdem freundlich«, fuhr er fort. »Sehr hübsch. Nettes Baby.« Es hörte sich an, als würde er diese Punkte beim Sprechen an seinen Fingern abzählen. Aber das tat er nicht. »Sie hat dich ganz schön fest gehalten, oder? Heute Morgen, als ich die Tür aufgeschlossen habe.«
    »Ja«, sagte ich vorsichtig. »Ziemlich fest.«
    »Du hättest dich sehen sollen. Du bist knallrot gewo r den.«
    Ich erschrak. »Wirklich?«
    »Ich glaube nicht, dass sie es gemerkt hat. Sie hat he u te Nachmittag nichts davon gesagt. Höchstwahrschei n lich hat sie gedacht, dass es nur irgendein Fieberanfall ist.« Ich lachte. »Findest du auch, dass sie hübsch ist?«
    »Na ja, ich schätze schon …«
    »Wer?«, wollte Großmutter wissen, als sie die Schü s seln auf den Tisch stellte.
    »Das Mädchen, das wir heute kennen gelernt haben«, antwortete Stirling. »Maria. Sie ist in die obere Wohnung eingezogen. Sie war sehr nett. Sie hat Leo geholfen, als ihm schlecht wurde, damit ich die Tür aufmachen kon n te.«
    Großmutter setzte sich und begann, die Suppe ausz u schöpfen. »Jemand Nettes im Haus – das ist mal eine angenehme Abwechslung nach den letzten paar Bewo h nern.«
    »Können wir sie irgendwann mal zu uns einladen?«, fragte Stirling. »Wir sollten ihre ganze Familie einladen, um sie zu begrüßen.«
    »Natürlich«, erwiderte Großmutter entgegen ihrem sonstigen Naturell. »Wer ist da noch? Ihre Eltern?«
    »Ihre Mutter«, antwortete Stirling. »Und ihr Baby – sein Name ist Anselm. Er ist sehr süß, auch wenn er ziemlich viel weint.«
    »Ihr Baby? Wie alt ist dieses Mädchen?«
    »Fünfzehn. Genau wie Leo.«
    »Und wo ist ihr Ehemann?«
    »Sie hat keinen.«
    Großmutter hob die Brauen. »Ich bin überrascht, dass sie euch das so freimütig erzählt hat.«
    »Aber ich habe sie gefragt.«
    »Stirling! Du hast sie gefragt, ob sie verheiratet ist?« Großmutter sah ihn stirnrunzelnd an. »Das war sehr u n höflich! Weißt du eigentlich, wie ungezogen es ist, j e manden zu fragen, ob er verheiratet ist? Besonders, wenn sich dann herausstellt, dass das nicht der Fall ist.«
    »Ich wusste nicht, dass sie es nicht ist. Deshalb habe ich ja gefragt. Aber es hat ihr auch gar nichts ausg e macht.«
    »Nun, vielleicht nicht, aber …«
    »Leo.« Er sah mich an. »Es hat ihr nichts ausgemacht, oder?« Ich schüttelte den Kopf.
    »Sie scheint mir ein recht unerschrockenes Mädchen zu sein«, sagte Großmutter vorsichtig. »Dass es ihr nicht peinlich ist, keinen …«
    »Ach, Großmutter!«, rief ich. »Sei nicht so altm o disch.«
    Sie sah mich überrascht an. »Du hast Recht. Du hast Recht – es tut mir leid, Leo. Ein paar von den Leuten, die hier gewohnt haben … Auf den ersten Blick ehrbar, aber in Wirklichkeit einfach nur unfreundlich. Und ich kenne die Umstände nicht. Ich finde, dass wir sie bald mal zu uns einladen sollten. Ich würde sie gerne kennen lernen.«
     
    Ich hatte gedacht, dass ich lieber zu Hause als in der Schule sein würde, aber schon am Dienstagabend wurde mir immer langweiliger. Ich legte gerade meine Uniform für den nächsten Tag heraus, als Großmutter an die Schlafzimmertür kam. »Hör zu, Leo«, sagte sie. »Ich möchte, dass du mindestens bis Ende nächster Woche daheimbleibst.«
    Das überraschte mich. »Ich dachte, du hättest gesagt bis Montag oder Dienstag.«
    »Das Stille Fieber grassiert in der Stadt. Es ist zu g e fährlich für dich rauszugehen, solange du geschwächt bist.«
    »Mir wird schon nichts passieren – ich halte mich ei n fach von jedem fern, der krank wirkt. Ich habe es mir noch nicht eingefangen, oder?«
    »Ich mache mir keine Sorgen wegen dir. Hier steht, dass möglicherweise Menschen, die krank oder erschöpft waren, den Erreger in sich tragen und an andere weite r geben könnten.« Sie hielt die Zeitung hoch.
    »Das haben sie schon früher behauptet.«
    »Ja, aber jetzt sind sie dabei, es zu beweisen. In den Krankenhäusern an der Grenze. Hör dir das an.«
    Sie setzte sich hin und schlug die Zeitung auf. » › Ein Bericht der Ärzte der Klinik in Romeira …‹ «, begann sie.

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