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Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
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stand und Maria neben dem Bett saß und mit ihm redete. Mein Herzschlag verlangsamte sich, während ich zu ihnen ins Zimmer ging.
    »Leo!« Stirling drehte sich lächelnd zu mir um, aber er sah mich nicht direkt an. »Wo bist du gewesen?«
    »In den Bergen.« Ich war diesmal weiter gegangen, hatte dabei aber immer noch nicht so weit vom Stadtrand entfernt gesucht, wie ich es mir gewünscht hätte. Es lag noch ein weiter Weg vor mir.
    »Du hast mir gefehlt«, sagte Stirling. »Es wäre mir lieber, du würdest dort nicht hingehen.«
    »Ich muss. Was, wenn jemand anderer die Blutblume findet, und zwar an einer Stelle, wo ich selbst hätte s u chen können? Irgendwo in der Nähe der Stadt? Es wäre mö g lich.«
    »Du suchst nach der Blutblume?«, fragte Maria. Sie sah mich nachdenklich an. »Aber glaubst du nicht, dass überall dort, wo du suchst, vor dir schon jemand anderer gesucht hat?«
    Ich setzte mich an das Ende von Stirlings Bett und trat mir mit den Absätzen die Stiefel von den Füßen.
    »Du siehst schrecklich aus«, stellte Maria fest. Ich lachte kurz auf. »Nein«, verbesserte sie sich lächelnd. »Ich meine schrecklich müde.«
    »Wirklich?« Ich stand auf und sah in den Spiegel. Sie hatte Recht. »Ich werde mich mit der Zeit daran gewö h nen«, behauptete ich. »Ich bin heute ein paar Kilometer gelaufen, das ist alles.«
    »Stirling geht es ganz gut«, meinte sie. »Wir denken beide, dass er von allein wieder gesund wird.«
    »Ja«, bestätigte Stirling. »Du musst diese Heilpflanze nicht finden.«
    »Wenn du von allein wieder gesund wirst, kann ich sie ja versilbern und uns ein Haus am Stadtrand kaufen – eins, das sogar noch besser ist als das von Sergeant Ma r key.« Sie lachten.
    »Wo ist Großmutter?«, fragte ich.
    »Sie ist runtergegangen, um zu duschen«, antwortete Maria. »Was gut ist – sie muss etwas anderes tun, als immer nur hier rumzusitzen und sich Sorgen zu m a chen.«
    »Sie könnte heute Abend zur Kirche gehen«, überlegte ich.
    »Falls du sie dazu überreden kannst, Stirling allein zu lassen.«
     
    Mit Stirlings Hilfe schaffte ich es, sie zum Gehen zu b e wegen. Sie konnte erkennen, dass es ihm zumindest he u te besser ging, und ich würde höchstens zwei Minuten brauchen, um zur Kirche zu rennen und sie zu holen. Nachdem sie und Maria gegangen waren, saß ich auf Stirlings Bett.
    »Leo, wo bist du?«, fragte er plötzlich.
    Ich hatte vergessen, dass er nicht sehen konnte. »Ich weiß nicht.« Ich wunderte mich hinterher, warum ich das gesagt hatte, aber in dem Moment rutschte es mir einfach raus.
    »Was?« In seiner Stimme lag echte Angst, und sie brachte mich zurück. »Leo?«
    Ich legte meine Hand auf seine. »Ich bin hier. Ich bin hier, Stirling.«
    »Ich kann nichts sehen. Du hast mir Angst gemacht. Wie hast du das gemeint? Ich dachte, ich würde sterben.«
    »Nein, du bist in Sicherheit.«
    Er umklammerte meine Hand. »Sprich weiter«, sagte er in die Stille hinein, »damit ich weiß, dass du da bist.«
    »Ich bleibe hier.«
    »Sprich weiter. Sonst fürchte ich mich, so ganz allein in der Dunkelheit.« In seiner Stimme stieg Panik auf. »Sprich weiter. Ich mag die Stille nicht.«
    Aber ich konnte plötzlich nicht. »Es ist schwer zu r e den, wenn es einem befohlen wird.«
    »Sag irgendwas. Erzähl mir eine Geschichte. So wie früher, als wir noch klein waren.«
    Ich versuchte es, aber ich musste es verlernt haben, denn ich geriet schon nach der ersten Zeile ins Stocken. Ich hatte nicht mehr dieselbe Fantasie wie früher. »Ich kann mir keine Geschichten mehr ausdenken. Es tut mir leid.« Ich rieb mir die Stirn. Mir tat wieder der Kopf weh. »Aber ich könnte dir etwas vorlesen.«
    Wir hatten keine Zeitung – Großmutter hatte keine g e holt, und ich hatte es auch vergessen. »Wie wäre es mit Die Goldene Regentschaft ?«, fragte ich. »Das ist alles, was wir haben. Oder die Bibel, aber ich schätze, die kannst du sowieso auswendig.«
    »Nein, kann ich nicht.« Er merkte nicht, dass ich es scherzhaft gemeint hatte. »Lies mir Die Goldene Regen t schaft vor.«
    Als ich seine Hand losließ, streckte er sie weiter aus, so als wollte er den Abstand zwischen uns möglichst g e ring halten. »Ich bin immer noch da«, beruhigte ich ihn. »Ich hole es nur schnell. Ich gehe rüber zu meinem Bett – es liegt unter meinem Bett.« Ich durchquerte das Zimmer mit schweren Schritten, damit er hörte, dass ich nicht rausgegangen war. »Ich bin in einer Sekunde wieder bei dir.« Ich bückte

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