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Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
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er uns seine Dia g nose mitteilte. »Ich fürchte, dass es schlimmer um ihn steht, als ich gedacht hatte«, flüsterte er, während er die Tür hinter sich zuzog. »Halluzinationen sind ein Hinweis auf ein fortgeschrittenes Stadium der Krankheit.« Er machte eine Pause, als erwartete er, dass wir etwas sa g ten. Dann legte er die Hand an seine Stirn. »Auch wenn er sich zwischenzeitlich gut erholt hat, ist dieser Rückfall sehr plötzlich erfolgt, und das ist für gewöhnlich ein schlechtes Zeichen. Ich kann nicht genau sagen, wie ernst sein Zustand ist. Er wird sich aber in jedem Fall rapide verschlechtern – darauf müsst ihr euch einstellen. Ich werde nach ihm sehen, so oft ich kann. Wenn ihr irgen d jemanden kennt, der über medizinische Fachkenntnisse verfügt, dann zieht ihn unbedingt hinzu. Es wird in jedem Fall mehr nützen als schaden.«
    »Danke, Pater«, sagte Großmutter, als sie sich sicher war, dass er nichts mehr zu sagen hatte. »Werden Sie noch eine Weile bleiben?«
    »Natürlich. Mein Fehler tut mir sehr leid – ich dachte wirklich, dass ich mich geirrt hätte, als ich sagte, dass es das Stille Fieber sei. Es schien ihm so viel besser zu g e hen. Aber verzweifelt nicht. Es gibt noch immer Hof f nung.«
     
    Wir saßen alle um Stirlings Bett herum. Ich weiß nicht warum, aber wir taten es. Er lag so still und reglos da, dass wir nicht sagen konnten, ob er wusste, was um ihn herum vorging. Schleppende Unterhaltungen versandeten im Nichts, bis wir schließlich aufgaben und verstum m ten. Es war, als würden wir bereits Wache an seinem Sarg halten. Als mich dieser Gedanke durchzuckte, kon n te ich nicht länger dort sitzen bleiben. Ich stand auf und verließ das Zimmer. Der Kreis und die düstere Atm o sphäre waren damit durchbrochen, und Maria und Pater Dunstan machten sich zum Gehen bereit. Das Echo der Gespräche verhallte noch immer im Schlafzimmer, so als würde gerade eine Party zu Ende gehen.
    »Alles in Ordnung, Stirling?«, fragte Großmutter. Er nickte. »Entschuldige, dass wir alle in deinem Zimmer waren, aber jeder wollte in deiner Nähe sein.«
    »Das war gut …« Stirling bereitete das Sprechen M ü he. Er sah aus, als wollte er noch etwas sagen, aber er tat es nicht. Großmutter ging in die Küche, um Essen zu m a chen. »Es hat mir gefallen … dass alle hier waren …« , sagte er schließlich.
    »Das freut mich«, erwiderte ich.
    »Ich hätte gern … bei meiner Erstkommunion … dass das Fest …«
    »So ist wie heute?«
    »Ja … dass alle hier sind.«
    »Das werden sie«, versprach ich, und er lächelte schwach. »Fällt dir das Sprechen schwer, Stirling?«
    »Nein … nur das Denken.«
    Ich zog den Stuhl an sein Bett. »Kannst du … kannst du … mir … etwas vorlesen?«, murmelte er einen M o ment später.
    »Dir etwas vorlesen? Was soll ich dir denn vorlesen?« E r a ntwortete nicht. »Ist es dir egal? Die Bibel vie l leicht?« Er nickte.
    Möglicherweise war es der Nachhall von Pater Du n stans Anwesenheit, die mich das vorschlagen ließ. Oder vielleicht der Nachhall meines kurzen religiösen Wahns. Nur dass ich in diesem Moment dachte, dass Sti r ling gern etwas aus der Bibel hören würde. Das war der Grund, warum ich es vorschlug.
    »Danke, Leo«, sagte er. »Ich weiß … dass du … sie nicht gern liest.«
    Ich lächelte ihn an, dann nahm ich die Bibel aus der Nachttischschublade neben seinem Bett und schlug wah l los irgendeine Seite auf. »Das Buch Ekkle – Ekklesi – « , stammelte ich.
    »Ekklesiastes?«
    »Ja.« Ich setzte mich und begann zu lesen. »Die Worte des Predigers, des Sohnes Davids, des Königs in Jerus a lem: Dichtigkeit der Nichtigkeiten! ‹ , spricht der Prediger. › Nichtigkeit der Nichtigkeiten, alles ist Nichtigkeit. ‹ – Wie wahr«, sagte ich verbittert. »Wie unglaublich wahr.«
     
    Als Großmutter wieder ins Zimmer kam, las ich Stirling noch immer vor. » › Es gibt etwas Nichtiges, das auf E r den geschieht: Da sind Gerechte, denen es nach dem Tun der Ungerechten ergeht, und da sind Ungerechte, denen es nach dem Tun der Gerechten ergeht. Ich sage: Auch das ist Nichtigkeit. ‹ «
    »Was liest du da, Leo?«, fragte sie. Ich hob die Bibel hoch, um es ihr zu zeigen. »Warum liest du Stirling nicht eine hübsche Geschichte vor? Lies doch aus einem der Evangelien.«
    »Nein …« , widersprach Stirling. »Leo … liest gut vor.«
    »Oh, es geht um das, was er vorliest.«
    »Das Buch Ekkle …« Wieder stolperte ich über das

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