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Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia

Titel: Manolia-Zyklus 01 - Das Lied von Malonia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Catherine Banner
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mäßigem Erfolg. Sie kam zu mir rüber und nahm mir den Eimer ab. Er war einigermaßen sauber, abgesehen von einem Fleck gelben Auswurfs dicht am Boden. Sie hob ihre Hand an mein Gesicht und strich mir das Haar aus der Stirn.
    »Versuch, dich ein bisschen auszuruhen«, sagte sie und sah mich besorgt an. Ich bemerkte kaum, wie hübsch sie war.
     
    Ich wurde morgens um vier von Stirlings Schreien g e weckt. Ich schlief auf dem Sofa im Wohnzimmer, damit Großmutter in seiner Nähe bleiben konnte. Sie hatte mich gerade erst überredet gehabt, mich hinzulegen.
    »Hilfe!«, schrie Stirling. »Helft mir!«
    »Stirling«, sagte Großmutter. »Stirling. Stirling.« G e nau wie Pater Dunstan, nur, dass ihre Stimme nicht ruhig klang. Ich stand auf.
    »Was ist los?«, fragte ich verschlafen. Stirling schlug so wild um sich, als ob ein Dämon in ihm wäre.
    »Bring ihn dazu, dass er aufhört, Leo«, flehte Gro ß mutter. »Er wird seinen Zustand noch verschlimmern. Halt ihn fest.«
    Sie klang so hilflos, dass ich Angst bekam. Ich ging zum Bett, kniete mich daneben und bekam Stirlings A r me zu fassen.
    Er schrie wieder auf. » Hilfe !«
    »Stirling. Ich bin es, Leo. Ich tu dir nichts. Du bist in Sicherheit.« Er lag still. »Ganz ruhig«, sagte ich. »Es ist alles in Ordnung.«
    Plötzlich riss er einen Arm aus meiner Umklamm e rung nach oben, und sein Fingernagel kratzte über me i nen Augapfel. Fluchend fasste ich in mein Gesicht und ließ seine Arme los.
    Er schlug in die Luft, als wäre, knapp außerhalb seiner Reichweite, irgendetwas vor ihm. »Helft mir!«, schluch z te er. »Oh, helft mir! Hilfe! Hilfe !« Die Worte klangen so gedehnt und verzerrt, als ob er sie in einer anderen Spr a che ausstoßen würde.
    »Er halluziniert wieder«, sagte Großmutter.
    »Nein!«, brüllte Stirling. »Nein! Hilf mir, Leo!« Er sah mich in diesem Moment direkt an, und sein Blick war so unheimlich, dass ich zurückwich. Er streckte mir die Hand entgegen. »Leo! Hörst du mich nicht?« Und er begann wieder zu wimmern.
    »Ich bin hier. Was fehlt dir? Was stimmt nicht?«
    »Mein Kopf! Hilf mir! Mein Kopf!« Weinend u m klammerte er ihn mit den Händen.
    »Hast du Kopfschmerzen?«, fragte ich. »Sag es mir, Stirling.«
    »Mein Kopf wird zerbrechen! Mein Kopf! Oh!« Eine Träne kullerte aus seinem Auge und landete mitten auf seiner Wange.
    »Hilf mir, Leo! Großmutter!« Sie nahm seine Hand, und er klammerte sich schluchzend an ihr fest.
    »Soll ich einen Umschlag für seinen Kopf holen?«, fragte ich.
    »Ja«, antwortete Großmutter. »Ruhig, Stirling, ruhig.«
    In dem Krug in der Küche war noch etwas Wasser. Ich schüttete ein bisschen davon auf ein Tuch, wrang es über dem Spülbecken aus und brachte es ins Schlafzimmer. Stirling hatte die Arme um Großmutters Hals geschlu n gen und schluchzte noch immer. Sie nahm das Tuch en t gegen und presste es gegen seine Stirn. »Hier«, sagte sie tröstend. Ich setzte mich ans Bettende und rieb mir die Schläfen. Ich benötigte unbedingt Schlaf – bevor ich mich hingelegt hatte, war mir nicht klar gewesen, wie müde ich wirklich war.
    Etwas ruhiger geworden, legte Stirling sich wieder hin. Sein Weinen verebbte zu einem atemlosen Schluc k auf. »Psst, Stirling«, sagte Großmutter leise. »Ruhig.« Mit einer plötzlichen Bewegung griff er sich wieder an den Kopf. Sie nahm seine Hand weg und legte sie zurück an seine Seite. »Es ist gut. Es ist alles gut.« Weitere Tr ä nen sickerten aus seinen Augen und rannen seitlich über seine Wangen hinunter auf die Kissen. »Es ist gut.« Er hustete krampfartig und fasste nach ihrer Hand. »Alles ist gut.«
    Ich stellte fest, dass ich mich irgendwann vornüberg e beugt und den Kopf auf meine Knie gelegt hatte. Ich war dabei einzuschlafen. Ich richtete mich schnell auf, dabei schlurften meine Füße auf dem Boden, und die beiden drehten sich mir zu. »Pscht, Leo«, formte Großmutter mit den Lippen. Stirling starrte mich einfach nur an, so als hätte er nicht die leiseste Ahnung, wer ich war. Ich stand auf und ging zum Fenster. Ohne nachzudenken, zog ich die Vorhänge auf, und gleißend helles Licht fiel ins Zimmer. Stirling legte die Hände um seinen Kopf und fing wieder an zu weinen.
    »Leo!«, flüsterte Großmutter.
    Ich zog sie hastig wieder zu. Stirlings knarzende Schluchzer kamen nun schneller und schneller, so als könnte er nicht atmen.
    »Ruhig«, sagte Großmutter und tupfte ihm mit dem Tuch die Stirn ab. »Ganz ruhig.« Sie streichelte ihm über

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