Mansfield Park
ungewohnter Geistesschärfe erinnert. Es war ihr tatsächlich von selbst eingefallen, daß Fanny heute vielleicht eine sachkundigere Hilfe brauchen könnte als die des Stubenmädchens. Als Lady Bertram selbst fertig angekleidet war, sandte sie wahrhaftig ihre eigene Zofe zu Fanny – natürlich zu spät, um noch irgendwie von Nutzen zu sein. Mrs. Chapman hatte gerade das oberste Stockwerk erreicht, als Miss Price fix und fertig angezogen aus ihrer Mansarde hervorkam, und man brauchte nur noch ein paar Höflichkeiten zu wechseln. Aber Fanny war von der unerhörten Aufmerksamkeit ihrer Tante fast ebenso überwältigt wie Lady Bertram und die Chapman selber.
28. Kapitel
Der Onkel und beide Tanten waren im Salon, als Fanny hinunterkam. Sir Thomas beobachtete sie interessiert und stellte mit Vergnügen fest, daß sie außerordentlich hübsch und elegant aussah. In ihrer Gegenwart ließ er es bei einem beifälligen Lob für ihren netten, passenden Anzug bewenden, doch als sie bald darauf wieder das Zimmer verließ, sprach er sehr anerkennend von ihrer Schönheit.
«Ja, sie sieht sehr gut aus», erwiderte Lady Bertram. «Ich habe ihr nämlich die Chapman geschickt.»
«Gut aussehen! O ja!» rief Mrs. Norris. «Das ist keine Kunst, nach allem, was man für sie getan hat. Wo sie doch hier in der Familie aufwachsen durfte und ständig das Vorbild ihrer Cousinen vor Augen hatte! Bedenken Sie nur, mein lieber Sir Thomas, welch außerordentliche Vergünstigungen sie Ihnen und mir verdankt. Das Kleid zum Beispiel, das sie trägt, ist Ihr eigenes generöses Geschenk zur Hochzeit unserer lieben Maria. Was wäre sie heute, wenn wir ihr nicht die Hand gereicht hätten?»
Sir Thomas sagte nichts weiter, doch als man sich zu Tisch setzte, versicherten ihm die Blicke der beiden jungen Männer, daß man das Thema mit größerem Erfolg wiederaufnehmen könnte, sobald die Damen sich zurückgezogen hätten. Fanny spürte, daß sie gefiel, und das Bewußtsein, hübsch auszusehen, machte sie noch hübscher. Sie war aus vielerlei Gründen glücklich und sollte bald noch glücklicher werden; als sie hinter ihren Tanten das Zimmer verließ, sagte Edmund, der ihnen die Tür offenhielt: «Aber du mußt auch mit mir tanzen, Fanny! Du mußt mir zwei Tänze reservieren, welche du willst, bis auf die beiden ersten.» Nun blieb ihr nichts mehr zu wünschen übrig. Sie war kaum jemals im Leben in einem solchen Zustand gewesen, der beinahe schon an Übermut grenzte. Jetzt erst begriff sie die Fröhlichkeit ihrer Cousinen an früheren Ballabenden. Ein Ball war wirklich etwas Zauberhaftes! Im Salon übte sie sogar rasch ein paar Tanzschritte – solange sie sich vor den Augen von Tante Norris sicher fühlte, die vorerst ganz der Aufgabe hingegeben war, den prachtvollen Scheiteraufbau, den der Butler im Kamin entzündet hatte, umzuschichten und zum Einsturz zu bringen.
So verging eine halbe Stunde, die an jedem anderen Tage bestenfalls flau zu nennen gewesen wäre, doch Fannys Glücksgefühl hielt vor. Sie brauchte nur an ihr Gespräch mit Edmund zu denken – was bedeutete dagegen Mrs. Norris’ Unrast oder Lady Bertrams Gähnen?
Dann erschienen die Herren, und es begann das köstlich erregende Warten auf den ersten Wagen, eine Spanne allgemeiner Gelöstheit und Fröhlichkeit, während sie lachend und plaudernd herumstanden und jeder Augenblick neue Freude und Hoffnung verhieß. Fanny fühlte wohl, daß Edmunds Heiterkeit schwer erkämpft war, doch daß er den Kampf so erfolgreich bestanden hatte, war eine neue Wonne.
Als man dann wirklich das Heranrollen der Wagen vernahm, als die Gäste sich wirklich zu versammeln begannen, wurde Fannys Fröhlichkeit merklich herabgedämpft. Der Anblick so vieler fremder Gesichter schüchterte sie ein. Auch war die Art von Sir Thomas und Lady Bertram nicht dazu angetan, die steife Förmlichkeit zu bannen, die zuerst in dem großen Zirkel herrschte, und Fanny hatte noch Schlimmeres zu erdulden. Sie wurde von ihrem Onkel hier und dort vorgestellt, sie mußte ihren Knicks machen und artig Rede und Antwort stehen. Das war eine schwere Pflicht, und Fanny konnte sie nicht erfüllen, ohne immer wieder sehnsüchtig nach William auszuschauen, der gemütlich im Hintergrund herumspazierte, und sich inbrünstig an seine Seite zu wünschen.
Das Erscheinen der Grants und Crawfords leitete eine günstigere Ära ein. Ihrer ungezwungenen Art, ihren vertraulichen Begrüßungen hielt der steife Ton nicht stand. Alsbald bildeten
Weitere Kostenlose Bücher