Mansfield Park
sein, aber bitte verlange keinen Rat von mir! Dazu tauge ich nicht.»
«Du hast recht, dich gegen ein solches Amt zu wehren, Fanny, aber du brauchst nichts zu fürchten. Das ist ein Punkt, in dem ich niemals um Rat fragen würde, in dem kein Mensch den Rat eines anderen erbitten sollte – und ich glaube, wer es dennoch tut, wünscht nur, gegen sein besseres Wissen beeinflußt zu werden. Nein, ich möchte mich nur mit dir aussprechen.»
«Ja, Edmund, aber – verzeih die Freiheit – aber paß auf, wie du zu mir sprichst. Sag nichts, was dir später einmal leid tun könnte. Es ist möglich, daß eine Zeit kommt …» Sie war blutrot geworden.
«Liebste, liebste Fanny!» rief Edmund und preßte ihre Hand fast so zärtlich an die Lippen, als wäre sie Miss Crawford. «Du bist so klug und rücksichtsvoll! Aber hier ist es nicht nötig. Die Zeit, an die du denkst, wird niemals kommen. Ich halte es für immer unwahrscheinlicher – die Chancen werden immer geringer … Aber sogar wenn sie käme – weder du noch ich müssen fürchten, daß die Erinnerung an diesen Augenblick uns jemals peinlich sein könnte. Ich werde mich meiner Zweifel nie schämen. Wenn sie verschwinden, wird das einer Veränderung zuzuschreiben sein, die ihren Charakter angesichts ihrer früheren Fehler um so bewundernswerter erscheinen läßt. Fanny, du bist der einzige Mensch auf der Welt, dem ich all das sage, aber du hast immer meine Gedanken gekannt. Du kannst mir bezeugen, daß ich niemals blind war. Wie oft haben wir über ihre kleinen Fehler gesprochen! Nein, hab keine Angst für mich. Ich habe fast jeden ernsten Gedanken an sie aufgegeben. Aber wie es auch kommen mag – wenn ich an deine Sympathie und dein Verständnis jemals ohne die innigste Dankbarkeit denken könnte, müßte ich ein Ungeheuer sein!»
Was er sagte, war genug, um eine achtzehnjährige Erfahrung zu erschüttern, genug, um Fanny so glücklich zu machen, wie sie es seit langem nicht gewesen war, und sie antwortete mit leuchtenden Augen: «Ja, Edmund, das weiß ich, ich kenne dich. Sag nur alles, was du willst, ich habe keine Angst davor. Sprich dich ruhig aus.»
Sie waren im zweiten Stock angelangt, und das Erscheinen eines Stubenmädchens verhinderte jedes weitere Gespräch. Für Fanny hatte es vielleicht im glücklichsten Moment geendet. Hätte Edmund fünf Minuten länger reden können – wer weiß, ob er nicht Miss Crawfords sämtliche Fehler mitsamt seiner eigenen Kleinmütigkeit wegdiskutiert hätte! Doch nun trennten sie sich mit einem Blick, der seine dankbare Zuneigung und Fannys große Beglückung ausdrückte. Nach vielen Stunden war ihr endlich wieder froh zumute. Seit die erste Freude über Mr. Crawfords Brief an William sich gelegt hatte, war sie allmählich ganz in Trübsal und Trostlosigkeit versunken. Jetzt aber schien alles wieder hell und gut. Sie erinnerte sich an die glückliche Fügung für William und fand sie noch bedeutsamer als zuvor. Dazu noch der Ball – ein herrlicher Abend lag vor ihr! Jetzt konnte sie sich erst richtig darauf freuen! Und sie begann sich voll glücklicher Erregung umzukleiden, wie es sich für einen echten Ball gehört. Alles ging gut – sie mißfiel sich selber gar nicht. Und als sie schließlich zum Halsschmuck kam, schien ihr Glück erst vollkommen. Wie sie sich auch mühte – das Halsband, das Miss Crawford ihr geschenkt hatte, ließ sich auf keine Weise durch das Ringlein von Williams Anhänger zwängen. Sie hatte Edmund zuliebe beschlossen, es zu tragen – aber es war zu breit für seinen Zweck, und nun mußte sie eben doch Edmunds Kette nehmen! Und nachdem sie, voll der köstlichsten Empfindungen, Kreuz und Kette, diese Andenken an ihre beiden liebsten Menschen, diese Liebeszeichen, die symbolisch und wirklich für einander geschaffen waren, miteinander verbunden und um den Hals gelegt hatte – als sie sah und fühlte, wie sie William und Edmund gleichsam verkörperten – da fiel es ihr plötzlich leicht, ganz aus eigenem Entschluß und ohne Zwang, auch Miss Crawfords Halsband anzulegen. Sie fand es nur recht und billig. Miss Crawford hatte Anspruch darauf, und wenn dieser Anspruch nur nicht in Konflikt mit dem Vorrecht einer anderen, aufrichtigeren Freundschaft geriet, konnte sie ihr freudig Gerechtigkeit widerfahren lassen. Das Halsband war wirklich sehr schön und stand ihr gut. Und Fanny verließ mit sich und der Welt zufrieden ihr Zimmer.
Ihre Tante Bertram hatte sich ihrer bei dem heutigen Anlaß mit ganz
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