Mansfield Park
hätte dort etwas Wichtiges zu erledigen, aber was, will er mir nicht verraten. Das erste Mal, daß er mich nicht ins Vertrauen zieht! Aber so geht es eben – für jede Schwester kommt einmal der Tag, an dem sie beiseite geschoben wird. Jetzt muß ich mich an Sie um Auskunft wenden. Also bitte, weshalb fährt Henry morgen nach London?»
Fanny beteuerte ihre Unwissenheit so standhaft, wie ihre Verlegenheit es zuließ.
«Nun also», erwiderte Miss Crawford lachend, «dann muß ich eben annehmen, daß er es nur um des Vergnügens willen tut, Ihren Bruder nach London zu befördern und den ganzen Weg lang von Ihnen zu reden.»
Fanny war verwirrt, aber vor Ärger und Mißvergnügen, während Miss Crawford sich wunderte, daß sie nicht geschmeichelt lächelte und sie für überängstlich oder verschroben oder sonst etwas hielt; nur daß Henrys Aufmerksamkeiten ihr keine Freude machten, darauf kam sie nicht. Fanny hatte an diesem Abend sehr viel Vergnügen, doch das hatte wenig mit Henry Crawfords Bemühungen zu tun; es wäre ihr viel lieber gewesen, er hätte sie nicht so bald wieder zum Tanzen aufgefordert, und sie wäre lieber nicht auf den Gedanken gekommen, daß seine vorsorglichen Erkundigungen bei Mrs. Norris nach der Stunde des Soupers nur dem Zweck dienten, sie für diesen Teil des Abends mit Beschlag zu belegen. Doch es war nicht zu vermeiden. Er gab ihr allzu deutlich zu verstehen, daß er sich um sie bemühte. Dabei konnte sie nicht einmal sagen, daß es auf taktlose Art geschah, daß er sich indiskret oder aufdringlich benähme – und manchmal, wenn er von William redete, war er tatsächlich ganz annehmbar und bewies eine Herzenswärme, die für ihn sprach. Doch trotz alledem hatte ihr Vergnügen nichts mit seinen Aufmerksamkeiten zu tun. Sie war glücklich, wenn sie William beobachtete und sah, wie er sich aus ganzer Seele amüsierte, und wenn sie mit ihm fünf Minuten promenieren und den Berichten über seine Tänzerinnen lauschen konnte; sie war glücklich, weil sie merkte, daß man sie hübsch fand, sie war glücklich, daß sie sich die längste Zeit auf die zwei Tänze mit Edmund freuen durfte – denn sie war so von Tänzern umschwärmt, daß die unbestimmte Abmachung mit ihm ständig noch vor ihr lag. Sie war sogar glücklich, als sie dann wirklich mit ihm tanzte – obwohl er ihr weder durch fröhliche Laune noch durch zärtliche Freundschaftsbeteuerungen, wie sie den heutigen Tag erhellt hatten, dazu Anlaß gab. Er war tief verstimmt, und sie war glücklich, daß sie die Freundin sein durfte, bei der er Ruhe suchte. «Ich bin ganz erschöpft vom Höflichsein», sagte er. «Den ganzen Abend lang habe ich unaufhörlich geredet, um nichts zu sagen. Aber bei dir, Fanny, werde ich Frieden finden. Dich muß ich nicht mit Artigkeiten unterhalten. Komm, gönnen wir uns den Luxus des Schweigens.» Fanny hatte kaum den Mund auftun wollen, um ihre Zustimmung zu hauchen. Seine Müdigkeit verdiente besondere Schonung; sie ahnte wohl, daß sie mit den Sorgen zusammenhing, die er ihr heute gebeichtet hatte. So vollführten sie ihre beiden Tänze so ernst und schweigsam, daß jeder Zuschauer sich davon überzeugen konnte, daß Sir Thomas in seiner Nichte keine Braut für seinen jüngeren Sohn herangezogen hatte.
Der Abend hatte Edmund wenig Freude gebracht. Miss Crawford war überaus lustig gewesen, als sie zuerst zusammen tanzten, aber ihre Lustigkeit tat ihm nicht wohl, sie bedrückte ihn eher. Und später – denn er konnte nicht anders, es zog ihn immer wieder zu ihr hin – später hatte sie ihn durch die Art, wie sie von seinem Beruf sprach, aufs tiefste verletzt. Sie hatten gesprochen – sie hatten geschwiegen; er hatte vernünftig argumentiert – sie hatte gespottet; und schließlich hatten sie sich in gegenseitiger Verstimmung getrennt. Fanny, die sich nicht gänzlich enthalten konnte, die beiden zu beobachten, hatte genug gesehen, um leidlich zufrieden zu sein. Ach, es war unmenschlich, sich glücklich zu fühlen, während Edmund litt! Doch gerade weil er litt, konnte, mußte sie glücklich sein!
Als die zwei Tänze mit Edmund vorbei waren, war auch Fannys Lust und Kraft zum Weitertanzen so ziemlich dahin. Sir Thomas, der beobachtet hatte, wie sie die letzte Runde atemlos, die Hand in die Seite gepreßt, mehr gehend als tanzend vollendete, befahl ihr, sich hinzusetzen und auszuruhen. Von diesem Augenblick an tanzte auch Mr. Crawford nicht mehr.
«Arme Fanny!» rief William, der sie auf einen Augenblick
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