Mansfield Park
ein so ernstes Gesicht und sagte so bestimmt: «Es muß sein, meine Liebe», daß sie keinen weiteren Einspruch erhob. Im nächsten Augenblick hatte Mr. Crawford sie ans andere Ende des Saales geführt, und dort standen sie und warteten, bis ein Paar nach dem anderen sich hinter ihnen aufreihte.
Sie konnte es kaum glauben. Den Vorrang über so viele elegante junge Damen zu genießen! Es war eine gar zu große Auszeichnung – man stellte sie ihren Cousinen gleich … Und ihre Gedanken flogen mit ungeheucheltem, zärtlichem Bedauern zu den Töchtern des Hauses, die nicht hier waren, um den ihnen gebührenden Platz einzunehmen und an einem Vergnügen teilzuhaben, das ihr größtes Entzücken erregt hätte. Wie oft hatte sie sie von einem Ball in ihrem eigenen Heim als der höchsten erreichbaren Seligkeit schwärmen gehört! Nun gab es einen Ball, und sie waren nicht dabei. Sie, Fanny, sollte das Fest eröffnen – noch dazu mit Mr. Crawford! Sie hoffte nur, daß sie ihr jetzt wenigstens diesen Vorzug nicht mehr neiden würden; aber wenn sie bedachte, wie es im Herbst ausgesehen hatte und wie sie alle zueinander standen, als sie damals hier im Haus getanzt hatten, schien ihr das heutige Arrangement geradezu unbegreiflich.
Der Ball begann. Fanny war sich mehr der Ehre als des Vergnügens bewußt, wenigstens während des ersten Tanzes. Ihr Partner war in strahlender Laune und bemühte sich, ihr davon etwas mitzuteilen, aber sie war zu verängstigt, um zum Genuß ihres Glückes zu kommen. Erst als sie glauben durfte, daß nicht mehr alle Blicke auf sie gerichtet waren, beruhigte sie sich ein wenig. Aber jung, hübsch und sanft, wie sie war, schien sogar ihre Befangenheit noch anmutig, und es gab wenig Leute im Saale, die nicht bereit waren, sie reizend zu finden. Sie war anziehend und bescheiden, sie war Sir Thomas’ Nichte, und es hieß, daß Mr. Crawford ihr den Hof machte – das genügte, um ihr das allgemeine Wohlwollen zu sichern. Sir Thomas selber beobachtete mit Wohlgefallen den Verlauf des Tanzes. Er war stolz auf seine Nichte, und wenn er auch ihre Schönheit nicht der Verpflanzung nach Mansfield zuschrieb, wie Mrs. Norris es offenbar tat, erfüllte es ihn doch mit Befriedigung, daß er ihr alles andere gegeben hatte. Ihre Erziehung und ihr feines Wesen verdankte sie ihm.
Miss Crawford erriet so ziemlich, was in Sir Thomas vorging, während er dastand und Fanny zuschaute; und da sie, trotz allem, was er ihr angetan, doch durchaus vom Wunsch beseelt war, sich ihm bestens zu empfehlen, trat sie einen Schritt aus der Reihe heraus, um ihm etwas Liebenswürdiges über Fanny zu sagen. Er nahm ihre herzlichen Worte wohlwollend auf und stimmte ihnen zu, soweit seine reservierte Art und seine langsame Redeweise es zuließen; jedenfalls zeigte er sich bei diesem Anlaß von einer besseren Seite als seine Gattin auf dem Sofa daneben, der Mary sich ebenfalls zuwandte, um ihr, ehe sie wieder zu tanzen begann, Komplimente über Fannys Aussehen zu machen.
«Ja, sie sieht wirklich sehr nett aus», entgegnete Lady Bertram milde. «Die Chapman hat ihr beim Ankleiden geholfen. Ich habe ihr die Chapman geschickt.» Nicht, daß Lady Bertram sich nicht aufrichtig freute, Fanny bewundert zu sehen. Aber sie war noch so erschüttert über ihre eigene Güte, daß sie nicht darüber hinwegkam.
Miss Crawford kannte Mrs. Norris zu gut, um zu glauben, daß sie ihr mit einem freundlichen Wort über Fanny Freude machen könnte. Ihr gegenüber hieß es, sobald sich Gelegenheit dazu bot:
«Ach, Madam, wenn wir doch heute unsere liebe Maria und Julia hier hätten!», und Mrs. Norris belohnte sie mit so vielen liebenswürdigen Worten und Blicken, als ihre mannigfachen Beschäftigungen gestatteten, denn sie hatte alle Hände voll damit zu tun, Kartentische zu kontrollieren, Sir Thomas heftige Winke zu geben und immer wieder zu versuchen, die älteren Damen an angeblich bessere Plätze zu komplimentieren.
Den größten Mißerfolg hatten Miss Crawfords liebenswürdige Bemühungen bei Fanny selber. Ihre Absicht war, das liebe, kleine Herzchen in freudige Verwirrung zu bringen und das liebe, kleine Köpfchen mit ein paar eitlen Gedanken zu verdrehen. Und in völliger Mißdeutung von Fannys Erröten glaubte sie tatsächlich, ihr Ziel erreicht zu haben, als sie nach den ersten zwei Tänzen an Fanny herantrat und mit neckischer Miene fragte: «Vielleicht können Sie mir sagen, weshalb mein Bruder morgen auf einmal nach London fahren muß? Er behauptet, er
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